Giro d’Abruzzo – Mare e Monti
eine Radreise durch die Abruzzen

Giro d’Abruzzo – Mare e Monti <br>eine Radreise durch die Abruzzen

Zum Glück hatten wir uns Ende März/Anfang April zwei Wochen für einen etwaigen Urlaub geblockt, um bei Schönwetter mit unseren Reiserädern auszurücken. Denn genau in diesem Zeitraum kündigte sich ein stabiles Hochdruckgebiet über dem Mittelmeer-/Adria- und Alpenraum an und ließ uns relativ spontan die frohe Entscheidung treffen, wieder einmal nach Italien aufzubrechen – diesmal in die Region Abruzzen. Die grobe Route für unseren Giro d’Abruzzo war schnell geplant und ein passendes Ausgangsquartier recherchiert. Also brausten wir an einem Sonntagmorgen bei extrem wenig Verkehr Richtung Süden – ca. 1.100km bis nach Pineto, ein paar Kilometer nördlich von Pescara.

Nach unserer Umbrien-Radreise 2014, bei der wir auch durch ein kleines Eck der Region Abruzzo gefahren sind, wollten wir uns diesmal ausgiebig dieser faszinierenden Bergregion widmen, die wir im Rahmen einer Sportveranstaltung in Scanno 2013 erstmals kennengelernt hatten. Die bis zu knapp 3.000 Meter hohen, im Frühjahr noch schneebedeckten Gipfel liegen nur wenige Kilometer Luftlinie von der Adria entfernt und strahlen bei guter Sicht majestätisch bis an deren Küste. Zahlreiche ausgedehnte Nationalparks bieten nicht nur Naturliebhabern, sondern auch Wölfen und Braunbären ein einsames Refugium. Der Sommer- und Wintertourismus konzentriert sich hier auf nur wenige Wochen und Monate im Jahr – zu den Randzeiten (Frühjahr und Herbst) ist man in den Abruzzen großteils alleine unterwegs.

Nationalpark Gran Sasso und Monti della Laga
Nationalpark Gran Sasso und Monti della Laga

Über die malerischsten Passstraßen sind wir gefühlt eine Ewigkeit geradelt, ohne einer Menschenseele zu begegnen – weit und breit keine Autos, keine Motorräder, keine anderen Radfahrer. Unsere Unterkünfte haben wir über booking.com meistens einen Tag im Voraus reserviert und die genaue Route dann entsprechend dorthin geplant. Kleine Lebensmittelläden und Bars fanden wir zwar nicht in allen Ortschaften – hungern und dursten mussten wir jedoch keineswegs. Mittags kochten wir uns die Hauptmahlzeit selbst – ein geöffnetes Ristorante sahen wir tagsüber so gut wie nirgendwo. Abends und morgens bekamen wir dafür immer bei oder in der Nähe unserer Unterkunft eine leckere Verpflegung. Und kurze Zwischenstopps für Cappuccino & Dolce legten wir natürlich auch meistens ein bis zwei pro Tag ein.

Bereits auf der ersten Etappe unserer Abruzzen-Radreise mussten wir die Route überraschend umplanen. Der Passübergang Vado di Sole (1.621m) am Fuße des Gran Sasso war aufgrund eines gewaltigen Lawinenabgangs, der etwa zwei Monate zuvor unter anderem ein ganzes Hotel mitgerissen hatte, vom Nord-Osten her nicht erreichbar. Auf unserer völlig einsamen, teils geschotterten Zufahrt über Bisenti und Arsita, sahen wir keinerlei Hinweistafeln bezüglich der Straßensperre. Also hieß es für uns spät nachmittags beim Rigopiano auf etwa 1.100m Seehöhe überraschend umkehren und ein neues Quartier organisieren. Die Carabinieri, die sich vor Ort positionierten, machten uns unmissverständlich klar, dass wir diesen Abschnitt nicht passieren werden. Sie wiederholten mehrmals „Frana …“ (Lawine/Erdrutsch) und deuteten auf die Trümmerreste des ehemaligen Hotels im Hintergrund – ein trauriger Anblick, der unser Schicksal des Umkehren-Müssens natürlich völlig banalisierte.

Die nächsten Tage erlebten wir dann keine unangenehmen Überraschungen und radelten bei perfektem Frühlingswetter, sprich täglich wolkenlosem Himmel, vom Nationalpark Gran Sasso und Monti della Laga in Richtung Regionalpark Sirente-Velino und weiter durch den Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise, das Naturreservat Monte Genzana e Alto Gizi zum Majella-Bergmassiv, bevor wir auf der Höhe von Pescara an die Adria-Küste gelangten, an der wir entspannt ausrollten.
Auf jeder der insgesamt sechs Etappen genossen wir ausgiebigst die abwechslungsreichen Kontraste der Vegetation, die zahlreichen bunten Blüten und Blumen am Straßenrand, die wohltuende Einsamkeit der faszinierenden Bergwelt und natürlich die vielen absolut sehenswerten Dörfer und Städte mit ihrem unvergleichlichen Flair sowie kulturellen und kulinarischen Reichtum. Besonders erwähnenswert sind auch all die herrlichen Passstraßen, die selbst an den steilsten Berghängen perfekt in den Hang gebaut wurden – immer wieder mit schier endlosen, nahezu flachen Serpentinen – sodass es selbst mit schwerem Gepäck keines nennenswerten Kraftaufwands bedarf, mehrere hundert Höhenmeter bergauf zu strampeln.

Für alle, die noch auf der Suche nach einem lohnenden Frühjahrs- oder Herbst-Radreiseziel sind: Ab in die Abruzzen – es zahlt sich definitiv aus!

Hier noch die GPS-Files unserer gefahrenen (503km / 9.300hm) sowie unserer ursprünglich grob geplanten Route. Nachdem uns der Umweg über Penne/Forca Penne einen Tag gekostet hatte, ließen wir die geplante Schleife durch den Regionalpark Sirente-Velino aus. Gut möglich, dass wir diese irgendwann nachholen werden.

Auffahrt zur Rocca Calascio - Blick auf die Majella-Gruppe
Auffahrt zur Rocca Calascio – Blick auf die Majella-Gruppe
an der Adria bei Pineto
an der Adria bei Pineto