Taiwan 08:
Shimen – Ostküste – Schule in Yuchang

Trotz der wunderbaren Lage ist die Nacht für uns nicht wirklich erholsam. Wir schlafen eher unruhig, Hana träumt von Schlangen und immer wieder hören wir, wie kräftiger Regen herunter prasselt. Wir sind froh, ein schützendes Holzdach und einen trockenen Boden um uns zu haben und dass wir diesen Regenschutt nicht eine Nacht zuvor am Strand hatten.
Als der Wecker läutet hören wir, wie der Wind die Palmen bewegt – mal sanft, mal lebhaft-stürmisch. Ab und zu mischt sich ein derart kräftiges Blätterrascheln darunter, dass wir uns bald einig sind: dieses Geräusch rührt nicht vom Wind alleine. Im morgendlichen Dämmerlicht schlüpfen wir ins Freie und sehen, wie unmittelbar neben uns ein paar kleine und größere Affen im dichten Gestrüpp toben und immer wieder kräftig an Ästen und Zweigen rütteln.
Während wir unseren nächsten Verwandten beim Spielen zusehen, nehmen wir ein paar Bissen vom abgepackten Kuchen, trinken ein paar Schluck Wasser und packen uns zusammen.

dunkler Himmel am Weg nach Jingpu
dunkler Himmel am Weg nach Jingpu

Der Regen hat eine Pause eingelegt, als wir auf der 11er Richtung Jingpu losradeln. Nach 10km queren wir eine rote große Brücke, hinter der es von der 11er links ab ins Zentrum der kleinen Küsten-Ortschaft geht. Und wen treffen wir genau bei der Ortseinfahrt: Yvona und Jan, die in einer Schule übernachtet hatten und offenbar etwas später als wir aufgestanden sind. Wir frühstücken daraufhin gemeinsam in einem kleinen Lokal hervorragend gebratene Teigtaschen gefüllt mit Glasnudeln und Gemüse. Dazu gibt es heißen, zuckersüßen Tee, der unsere müden Lebensgeister weckt. Jan erzählt, dass er früher auch Rennen gefahren ist und sein Interesse vor ein paar Jahren so wie wir eher auf Radreisen verlagert hat. Einer seiner Schwerpunkte dürfte im Radeln unter extremen klimatischen Bedingungen liegen, denn er erzählt von seinen Trans-Alaska-Radabenteuern sowie seinen organisierten Lappland-Bike-Touren im Winter. Wir tauschen Mail- und Website-Adressen aus (Jan Kopka Extreme Biking) und freuen uns, dass damit ein bleibender Kontakt gesichert ist.

Obwohl sich die dunklen Wolken verdichten, brechen wir nach dem Frühstück voll motiviert Richtung Changbin und Chenggong auf. Nach wenigen Metern fallen die ersten Tropfen, die bald in kräftigen Regen übergehen. Nachdem es nicht wirklich kalt ist, beschließen wir nur die kurze Regenhose überzuziehen und oben im Trikot weiter zu fahren – einerseits aus Faulheit, andererseits mit dem Argument einer praktischen Wäsche-Waschung. Dafür wechseln wir auch die Schuhe, da unser zweites „Leicht-Paar“ sicherlich schneller trocknen wird, als unser festes Schuhwerk.
Irgendwann wird uns doch frischer, aber bevor wir es aussprechen, überholt uns ein PKW, aus dem ein Mann winkt und uns deutet, dass wir anhalten sollen. Er streckt uns zwei Plastikbeutel entgegen, in denen dünne gelbe Regen-Ponchos gepackt sind und bevor wir uns noch richtig bedanken können, fährt er schon weiter. Wir hätten ihm wahrscheinlich auch nur schwer verständlich machen können, dass wir in unseren Taschen eh auch Regenjacken dabei haben – also schlüpfen wir in die gelben Plastikhüllen, damit wir keinen undankbaren Eindruck hinterlassen, sollten wir ihm in der nächsten Ortschaft nochmals begegnen. Bald erweist sich der Regen-Poncho als durchaus praktische und angenehm wärmende Schutzhülle. Abgesehen vom eigentlich sinnlosen Plastik-Konsum und –Verbrauch fühlen wir uns bald pudelwohl, vor allem auch auf Grund der wieder einmal so herzerwärmenden Menschlichkeit, die offenbar tief in der taiwanesischen Lebensart verwurzelt ist.

bei kräftigem Regen weiter nach Richtung Changbin und Chenggong
bei kräftigem Regen weiter nach Richtung Changbin und Chenggong

Fast 40km radeln wir im Regen dahin, bis kurz vor dem touristischen Highlight der heutigen Etappe die Sonne wieder langsam heraus kommt. Schon von weitem sticht sie dem Reisenden ins Auge: die drachenförmige Sanxiantai Bridge (Dragon Bridge), die in acht Bögen das Festland mit einer kleinen Insel verbindet, auf der sich in Form von drei großen schwarzen Felsen die Plattform der Drei Unsterblichen befindet.

schon von Weitem ein Hingucker: dieSanxiantai Bridge
schon von Weitem ein Hingucker: dieSanxiantai Bridge

Über einen nett angelegten Radweg gelangen wir direkt aus dem Besucherzentrum der Sanxiantai Bridge weiter nach Chenggong Township. Hier kehren wir in ein kleines Straßenlokal ein, in dem wir schon von außen neben zahlreichen deftig-undefinierbaren Fleischschüsseln auch eine variantenreiche Gemüseauswahl erspähen.

Die nächsten 20km sind nicht besonders spektakulär. Wir kommen ohne viele Foto-Stopps flott voran und legen in Donghe nochmals zwei kurze Pausen ein. Bei einem Obststand kaufen wir Bananen und eine Box mit super reif-süßen Ananas-Stückchen. Diese verzehren wir, als wir bei einem anderen Lokal auf die Füllung unseres Kochtopfs für unser Abendessen warten.

Danach beginnt die tägliche Suche nach einem Schlafplatz. Wir nähern uns der nächsten Großstadt – Taitung – und wir wissen, dass wir davor ein nettes Platzerl finden müssen, wenn wir in unserem Zelt und nicht in einem B&B übernachten wollen. Immer wieder zweigen wir von der Hauptstraße ab, in der Hoffnung nahe vom Strand fündig zu werden. Wir halten Ausschau nach kleinen abgeschiedenen Tempeln oder überdachten Holzpavillons. Zweimal überlegen wir schon zu bleiben, aber unser Bauchgefühl ist letztendlich doch jedesmal dagegen. In Fushan, dem unmittelbaren Vorort von Taidong, fahren wir bei der Taitung County Fushan Elementary School vorbei und versuchen unser Glück erstmals auf die Yvona-Jan-Methode. Wir rollen ins Schulgelände und erblicken am Rande des Sportplatzes eine überdachte Bühne, die in unserer Wunschvorstellung sofort zum idealen Zeltplatz erkoren wird. Mittels Zeigewörterbuch fragen wir am Schulgelände die erste zuständig wirkende Person und werden sehr freundlich dem Schulwart vorgestellt, den wir später intern Mister Miyagi taufen – in Anlehnung (Aussehen/Ausstrahlung) an Jacky Chans großartige Rolle im Film Karate Kid (2010). Seiner freundlichen Geste entnehmen wir: selbstverständlich dürfen wir hier übernachten … und Mister Miyagi deutet uns den Platz auf der überdachten Bühne, als könne er unsere Gedanken lesen. Danach zeigt er uns in unglaublich flinkem Schritt die Dusch- und WC-Anlagen der Schule – wir müssen laufen, um sein Tempo halten zu können. Etwas später lernen wir auch den Direktor der Schule kennen, mit dem wir sogar ein paar Worte englisch kommunizieren können.

unser Luxus-Quartier in der Taitung County Fushan Elementary School
unser Luxus-Quartier in der Taitung County Fushan Elementary School

Als es dunkel wird, verlassen alle um uns das Schulgelände und wir sind alleine mitten auf einem für uns absolut luxuriösen quasi Privat-Campingplatz. Als wir gewaschen und trocken warm mit dem Rücken an die Wand gelehnt neben unserem Zelt sitzen und die Stille genießen, fühlen wir uns so richtig glücklich.

Etappendaten: 108km – 760hm

GPS-Track der 8. Etappe

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Taiwan Intro-Text/Übersicht

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