Hoch motiviert und erfreulich fit starten wir unsere 1. reine Küstenetappe. Zwischen den dichten Wolken schafft es die Sonne nur selten, die nahen Felsriesen im Meer vom düsteren Grau in ein strahlendes weiß zu verzaubern. Die Straße schlängelt sich von einer Bucht in die nächste. Insgesamt zweimal fährt uns gleich zu Beginn eine heftige Windböe so kräftig entgegen, dass wir uns kaum am Rad halten können. Wir fürchten schon das Schlimmste für unsere weitere Tour und rufen uns Schreckensgeschichten der wilden Bora ins Gedächtnis. Aber kaum haben wir uns ein paar Kilometer von Senj entfernt, ist zum Glück vom Wind kaum mehr etwas zu spüren. Abends erfahren wir von unserem Quartiergeber, dass es in Senj “immer Bura” hat. (Bura = kroat. für Bora).
Nach ca. 12km beginnt die Küstenstraße deutlich zu steigen – für etwa 10km geht es stetig bergauf bis ca. 400m Seehöhe. Immer wieder tauchen neue bizarre Felsinseln im Meer auf; besonders jubeln wir, wenn die Sonne eine von ihnen bestrahlt. Die Strecke bietet hier zahlreiche phantastische Aussichtspunkte, wir fotografieren wie wild und strampeln mittags im Gegenzug etwa 15 Minuten im Zeitfahrtempo, um die Fähre von Prizna nach Pag um kurz nach 12.00 Uhr zu erwischen.
Insgesamt vergehen dann dafür nur 45 Minuten, bis wir auf der Insel Pag landen und weiter radeln.
Es dauert nicht lange, bis wir die ersten Schafe inmitten der weißen Steinfelder entdecken. Wo diese Nahrung finden, ist uns ein Rätsel – aber sie müssen es, denn Pag ist bekannt für seinen vorzüglichen Schafskäse – den Paški sir, der uns in seiner Würze und Konstistenz fast an Parmesan erinnert.
Wir merken sehr bald, dass die Tourismus-Saison vorbei ist; kaum ein Restaurant hat geöffnet – also nutzen wir die erste Einkehr-Möglichkeit in Kolan – dem Zentrum der Paški sir Produktion – wo wir uns schon recht hungrig mit Weißbrot in Olivenöl, gegrilltem Paprika und natürlich jeder Menge lokaler Käse-Delikatessen stärken.
Danach geht es wieder deutlich entspannter weiter und wir genießen die hügelige Inselstraße mit ihren zahlreichen Highlights in vollen Zügen. Die Sonne zeigt sich auch endlich wieder vermehrt und beschert uns aus der Höhe plötzlich einen prachtvollen Blick auf die von Wasser beinahe umschlossene Inselstadt Pag. Im Hintergrund ragen stets die mächtig-felsigen Bergriesen entlang des kroatischen Festlandes empor und ergeben zusammen mit den friedlichen Meeresflächen zwischen den Küsten ein unvergessliches Panorama.
Über eine gewaltige Brücke geht es von Pag zurück ans Festland – am westlichen Horizont sehen wir die Gipfel und Kuppen der italienischen Apenninen … davor nur wenige Fischer- und Segelboote auf der im Licht der Abendsonne gleißenden Adria.
Um ca. 17.30 erreichen wir Ražanac, wo wir fast auf Anhieb mit Glück die perfekte Unterkunft finden (M & A Silec “Gusti” – Ulica 9 >> Tipp!) … denn: das Dorf wirkt wieder mal ausgestorben – kein Restaurant hat mehr offen. Wir fragen unseren Vermieter, ob wir uns beim ihm Pasta aus dem Supermarkt kochen dürfen. Er grinst nur und meint spitzbübisch, dass er mal seine Frau diesbezüglich befragen geht. Kurz darauf erscheint er mit einem Menüvorschlag: “Kalbsschnitzel mit Pommes und roten Rüben” … jetzt grinsen wir … für Hana werden die Kalbsschnitzel gegen 2 Spiegeleier getauscht. Davor gibt es Grießnockerlsuppe und als Nachtisch Nusskipferl … die gelernte Köchin verwöhnt uns nach allen Regeln der Kochkunst – wir sind etwas fassungslos, staunen, genießen und danken … bei mehreren provisorischen Radlern (wir bekommen einen überraschend süffigen Mix aus Bier mit Multivitaminsaft) philosophieren wir bis spät abends über Heimat (unser Hausherr ist gebürtiger Slowene, geb. in Maribor, arbeitete gut 20 Jahre in Deutschland und ließ sich vor ca. 20 Jahren in mit seiner Frau in Ražanac nieder) … und wir erfahren interessante Einblicke in kroatische Dorfgeschichten, politische Sichtweisen (EU-Debatte) und die Hass-Liebe zur kroatischen Tourismus-Abhängigkeit. Für uns ist es mit Abstand der spannendste und lohnendste Aufenthalt unserer ganzen Reise.