Etappe 7
Heute steht uns eine vergleichsweise kurze Etappe bevor und so lassen wir uns in der Früh entspannt Zeit, bis die aufgehende Sonne uns nach den frischen Morgenstunden hier auf 1.750 m Höhe ordentlich wärmt, während wir unser Kaiserschmarrn-Frühstück mit einem Liter Kaffee zelebrieren.
Beim Zusammenpacken bemerken wir, dass wir offenbar den Wasserfilter aus Hanas Hüftgurt gestern irgendwo verloren haben. Wieder sichten wir die Fotos am Display, um zu eruieren, wo das Ganze passiert sein könnte. Wir haben Glück, offenbar irgendwo auf den letzten Metern beim Schieben rund um die Pfützen im letzten Waldstück Richtung Refugio. Peter joggt zurück und kommt nach ein paar Minuten erfolgreich zurück. Zum Zweiten Mal auf dieser Reise hatten wir großes Glück in der Kategorie Lost & Found.
Um 9:30 Uhr starten wir dann und merken bald, dass die gestrige Etappe richtig hart war, denn nach nur 1 Stunde Fahrzeit nehmen wir, ohne zu zögern, in der ersten Ortschaft (Griegos) die geöffnete Bar als willkommen Anlass für ein zweites Frühstück – und was für eines! Das Bike von Andy lehnt auch bereits an der Straße vor der Bar und wir gesellen uns zu ihm an den Tisch. Er sitzt vor einem Teller Bratkartoffeln mit Spiegeleiern und einer schönen Portion Salat – „das gleiche bitte zweimal für uns“ rufen wir dem sympathischen Inhaber zu und genießen zum ersten Mal unser „Standardessen“ für die kommenden Tage, wenn wir irgendwo unterwegs eine geöffnete Bar vorfinden: „Huevos fritos con Papas y Ensalada mixta, por favor!“
Nach einer knappen genüsslichen Stunde ziehen wir weiter und können auch in der nächsten Ortschaft (Guadalaviar) nicht so einfach an der netten Bar vorbeifahren. Wir bestellen Kaffee und Süßes und arbeiten ein wenig am Laptop während unseres 3. Frühstücks – damit sind dann aber alle Depots wieder gut gefüllt und wir können sehr entspannt die Strecke zum ersten eigentlichen Etappen-Highlight des heutigen Tages absolvieren – zur Quelle des Rio Tajo, des längsten Flusses auf der Iberischen Halbinsel (1.007 km). Auch wir füllen unsere Flaschen bei der kräftigen Ursprungsquelle auf 1.600 m Höhe und besichtigen danach das imposante Denkmal der Quelle – des Nacimiento del Río Tajo. Auf der touristischen Website des Naturparks Alto Tajo lesen wir zu diesem Denkmal:
„Ein Rinnsal, das in der Fuente García entspringt und in Richtung des Denkmals hinabfließt, wobei es auf seinem Weg Wasser aus vielen anderen Quellen aufnimmt, stellt die ersten Schritte unseres Flusses auf seiner unaufhörlichen Suche nach dem Meer dar … Die Figur des Titanen, der aus einem großen Berg aufsteigt, hat eine große Symbolik, sein Schwert, das im Sockel der Skulptur steckt, stellt die große Kluft dar, die der Fluss in der Halbinsel macht, und der Riss, der seinen Körper durchzieht, ist das Flussbett, das die Halbinsel von Westen nach Osten durchquert. Seine Bärte stehen für das Tauen des Gebirgswassers nach der Schneesaison, und der Stern, der ihn krönt, zeigt uns, dass er aus dem Winterschnee der Sierra aufsteigt.“ (https://alto-tajo.com/item/nacimiento-del-rio-tajo/)
Wir folgen etwa 15 km dem sanften Verlauf des Rio Tajo und blicken immer wieder auf das glasklare Wasser direkt neben uns. Wir passieren idyllische Picknickplätze und Refugios, die zum Verweilen einladen, aber wir haben ein konkretes Ziel vor Augen – das Refugio de San Lorenzo, auf das wir uns schon ganz besonders freuen, nach all den Bildern, die wir vorab gesehen haben. Die Strecke dorthin führt die letzten 15 km abseits des Rio Tajo stets sanft auf- und wieder abwärts durch das komplett einsame Hochland des Naturparks Alto Tajo am Rande der Sierra de Albarracín. Wie verlassen hier auch für die nächsten Tage Aragon und radeln jetzt in Kastilien La Mancha weiter. Unterwegs treffen wir wieder auf Andy, der heute noch eine Spur weiter möchte, da er vor allem Proviant kaufen muss und nicht nochmals in einem Refugio in den Bergen übernachten kann oder möchte.
Das Refugio de San Lorenzo liegt etwa 2 km abseits der Montañas Vacías Bikepacking-Route auf einem herrlichen Plateau mit wunderbarem Rundumblick. Es steht direkt neben der wunderschönen Eremita San Lorenzo und bietet 4 Schlafplätze und überdachte Tischbänke auf der Veranda. Bei unserer Outdoor-Dusche genießen wir noch die wärmenden Sonnenstrahlen, doch dann ziehen bald dunkle Wolken auf, die auch ein paar Regenschauer herunterlassen, und wir sind umso dankbarer für die überdachte Koch- und Sitzmöglichkeit bei unserem Abendessen. Und wir freuen uns auch schon richtig auf eine ruhige Nacht im geschützten Innenraum, als wir plötzlich doch ein paar Stimmen hören und 3 Bikepacker (2 Frauen und 1 Mann) aus der Slowakei vor uns stehen. Wir plaudern nett mit ihnen und bald wird klar, dass zumindest eine der Frauen auf jeden Fall im Refugio und nicht im Zelt schlafen möchte, die anderen beiden planen zuerst die Nacht im Zelt, als es dann jedoch etwas windiger und kälter wird, entscheiden sie sich doch auch für das Refugio. Der Mann würde auch auf dem Boden schlafen und uns das Stockbett überlassen, aber wir schnappen wieder unser Zelt und suchen uns draußen einen ruhigen Platz, da wir so überhaupt keine Lust haben, zu fünft im Innenraum des Refugios zu nächtigen. So nett Begegnungen und Gespräche mit Gleichgesinnten auch immer sind, wir hatten in unserem Leben schon genug schlaflose Nächte in Hüttenlagern und wissen um die Notwendigkeit einer guten, regenerativen Nacht, gerade auf längeren Reisen.
Etappe 8
Heute Morgen ist es richtig frisch draußen. Unser Thermometer zeigt -2°. Dichter Nebel verschärft noch die winterliche Atmosphäre hier auf 1.500 m Höhe. Und das Mitte Mai in Spanien, während es bei uns daheim in den Alpen (wir wohnen auf 1.050m Höhe) heute Früh zweistellige Plusgrade hat. Auf den Packtaschen unserer Bikes hat sich eine Eisschicht gebildet, die auseinanderbricht, sobald man an den Taschen hantiert. Umso wichtiger sind wieder einmal unsere Daunenjacken und ein warmes, kräftigendes Frühstück. Nachdem die Wetter-Apps Sonne schon am frühen Vormittag versprechen, beeilen wir uns so überhaupt nicht. Während die drei slowakischen KolegInnen das Refugio im Nebel verlassen, packen wir nach dem Frühstück schön langsam zusammen. Und siehe da, das Warten hat sich gelohnt – kurz vor der Abfahrt schafft es die Sonne zu uns durch und spendiert uns prächtige Farben und einen kräftig blauen Himmel.
Wir fotografieren und filmen einiges und erreichen erst nach 1,5h die kleine Ortschaft Checa. Zum Glück gibt es hier einen auf Google Maps nicht verzeichneten kleinen Supermarkt (El Porche) Ecke C. la Soledad und C. Baja del Rio, der heute (Montag) auch offen hat. Was wir noch nicht wissen: es wird unser letzter Einkauf für sehr lange Zeit werden, bevor wir die berüchtigte „Leere“ der Montañas Vacías so richtig kennen lernen werden. Bei der Bar gegenüber holen wir uns 2 Tassen Kaffee und werfen uns dazu gierig allerlei soeben Gekauftes in die Futterluke: Bananen, Nüsse, Schokolade, … das Ganze in recht hoher Frequenz, sodass wir dabei einige verblüffte Blicke einheimischer PassantInnen ernten. Offenbar wollen unsere Körper nach wie vor mehr Nahrung und Energie als sie beim 1. Frühstück von uns bekommen.
Gut gestärkt geht es weiter. Rund um das kleine Bergdorf Chequilla überrascht uns eine Vielzahl spektakulärer, teils skurriler roter Gesteinsformationen direkt neben der Straße, einige von ihnen ragen wie riesige Pilze aus dem Boden. Danach wartet der steilste (ca. 200 hm) Anstieg des Tages auf uns, nach dem es dafür 400 Höhenmeter fein bergab nach Peralejos de las Truchas geht.
Kurz darauf sind wir zurück am Rio Tajo, der sich hier durch eine imposante Schlucht windet. An der Puente del Martinete verlassen wir die asphaltierte Straße und zweigen rechts auf die Schotterpiste ab, die ab jetzt entlang des Tajos führt und mit zahlreichen kurzen Anstiegen und Abfahrten sowie mit einigen Panoramaplätzen aufwartet. Hier treffen wir auch wieder die 3 slowakischen BikerInnen aus dem Refugio de San Lorenzo. Auch sie sind sehr angetan von der wilden Felskulisse und fotografieren begeistert.
Nach 10 km wechseln wir über eine schmale Brücke an das flussabwärts linke Ufer und genießen einen kurzen Singletrack, ehe wir absteigen und unsere Bikes ein paar Meter schieben müssen.
Bei der Área recreativa Fuente del Berro stoßen wir auf uns bekanntes Gelände – hier hatten wir 2021 eine wunderbare, komplett einsame Nacht direkt am Ufer des Rio Tajo verbracht. Und hier verlassen wir auch kurz darauf die uns bereits bekannte Passage der Montañas Vacías Bikepacking-Route und zweigen nach Poveda de La Sierra ab, von wo aus wir auf absolut verkehrsarmen Straßen Richtung unserem Etappenziel bei El Tobar navigieren.
In Beteta stoßen wir dann wieder auf die „Originalroute“, die noch etwa 25 km am Rio Tajo weiter entlangführt, bevor sie dann auch Richtung Süden nach El Tobar abzweigt. Bei der Fuente del Arca am westlichen Ortsrand von El Tobar füllen wir all unsere Wasserbehälter mit dem herrlich kalten Quellwasser und versuchen im Anschluss bei zwei Casas Rurales zu erfragen, ob ein Zimmer frei sei. Keine Chance, bei dem einen ist niemand weit und breit, bei dem anderen erfahren wir, dass sie geschlossen haben. Also fahren wir noch 2 km weiter zur Laguna Grande, die wir im Vorfeld bereits hinsichtlich Zeltplatz-Optionen genauer studiert haben. Wir schieben unsere Bikes am anfangs recht steilen und schmalen Norduferweg entlang bis zu einem kleinen, eingezäunten Picknick-/Aussichtsplatz mit 2 Bänken und einer flachen Wiese. Unser Zelt stellen wir dann etwas dahinter unter einem Baum auf, um nicht direkt am Ufer zu liegen. Aber wahrscheinlich wäre es auch egal gewesen, da wir weder heute Abend noch morgen Früh irgendeinen Menschen rund um diesen idyllischen See erspähen.
Etappe 9
Auch die Morgenstimmung an der Laguna del Tobar ist absolut stimmungsvoll. Noch schafft es die Sonne ein paar Mal durch die Wolken und spendiert uns farbenprächtige Motive.
Doch bald wird es heute immer düsterer und finsterer auf unserem Weg durch die Serrania de Cuenca. Bereits bei unserer Travesía de España 2021 hatten wir genau hier den einzigen wirklichen Regen während unserer insgesamt 23 Etappen. Und auch heute erwischt es uns mitten im schier endlosen Wegenetz durch die lichten Kiefernwälder: ein kräftiger Regenschutt, unter den sich ein paar Hagelkörner mischen, lässt uns die Regenklamotten schleunigst überstreifen und bei 6° Außentemperatur verzweifelt einen Unterstand suchen. Die riesigen Kiefern bieten keinen wirklichen Schutz – aber mehr gibt es hier nicht, also kuscheln wir uns bei einem halbwegs dichten Nadelbaum möglichst nah an den Stamm und warten das Schlimmste ab.
Als es nur noch leicht nieselt, fahren wir weiter über die jetzt ordentlich durchnässte und teils mühsam tiefe Schotterpiste. Etwa eine halbe Stunde später sitzen wir bereits am Rand der Piste und entledigen uns wieder vom nassen Regengewand. Die Pause nutzen wir gleich doppelt: zum Trocknen und zum Essen.
Mittlerweile sind wir wieder auf unserem Track von 2021 und erreichen auf knapp 1.700 m den höchsten Punkt unserer Etappe durch die Serrania de Cuenca. Kurz darauf passieren wir das Refugio La Alconera, in dem wir uns vor 3 Jahren so herrlich bei knisterndem Feuer am offenen Kamin wärmen und eine geborgene Nacht verbringen konnten. Diesmal wollen wir noch weiter, vor allem weil es fortan trocken bleiben sollte.
Nach einer kurzen Zwischensteigung folgt eine der entspanntesten Abfahrten der Montañas Vacías-Runde: 350 Höhenmeter auf 13 km, der Großteil auf einer neu asphaltierten, einsamen Forststraße (2021 war hier noch Schotter) – mehrmals jubeln wir laut, weil es so locker und zügig dahingeht, ehe wir beim Embalse de La Toba auf eine etwas breitere Straße stoßen, die uns nach Beamud bingt. Wir suchen den ganzen Ort nach einem Lebensmittelladen oder einer offenen Bar ab – ohne Erfolg. Wir hoffen voll und ganz auf den nächsten größeren Ort in 13 km: Valdemoro-Sierra, wo auf Google Maps eine Bar und eine Taberna eingetragen sind. Wieder suchen wir vergebens, denn beide haben geschlossen. Wir fragen einen Einwohner, ob er wisse, wo sich der nächste Lebensmittelladen oder eine geöffnete Bar befindet. Wir haben Glück, denn der nette Mann nennt uns eine Bar (El Chiringuito) nur 500 Meter hinter dem Ort – und diese hat tatsächlich geöffnet. So trist und alkoholgetränkt (es ist 17:20 Uhr) die Atmosphäre innerhalb der Bar auch ist, wir werden vom Inhaber auch nicht überschwänglich begrüßt, so fürstlich werden wir hier bekocht: Bratkartoffel, Eier, ein köstlicher Salat und für Peter ein paar Scheiben gegrilltes Fleisch, dazu ein kräftiger Kaffee … und der Tag ist gerettet.
Danach heißt es nur noch ein paar Kilometer und 250 Höhenmeter berghoch radeln, um auf einer kleinen Passhöhe ostseitig die Chancen auf einen Sonnenaufgang am nächsten Morgen zu wahren. Beim 2. Versuch von der Straße seitlich abzuzweigen, werden wir auch fündig – kein Top-Zeltplatz, aber für die schwierige Etappe heute ein durchaus wohliges Finale.
Etappe 10
Die 10. Etappe steht unter einem zentralen Motto „Miercoles CERRADO“ (Mittwochs geschlossen). Als wir bei strahlend blauem Himmel unsere Taschen packen, wissen wir noch nichts von unserem heutigen Schicksal. In einer der zahlreichen Ortschaften wird sich schon irgendwo ein kleiner Lebensmittelladen finden, in dem wir wieder einmal etwas Proviant für ein Mittagessen (zumindest Brot und Käse) oder sogar ein wenig Hardware (Pasta oder Reis) und Gemüse zum Kochen kaufen können. Und einem baldigen 2. Frühstück in einer Bar sind wir ohnehin alles andere als abgeneigt, da wir in der 2. Woche bereits im Modus „Essen geht immer“ angelangt sind.
Dass im 1. Ort (Campillos-Sierra) alles wie ausgestorben wirkt, nehmen wir noch sehr gelassen. Und auch im 2. Ort (Huerta del Marquesado), in dem auf Google Maps 2 Bars eingetragen sind, in dem aber auch alles geschlossen hat (zumindest „Miercoles“ – also heute), sind wir noch gut gelaunt. Umso mehr freuen wir uns schon in der Ortschaft Laguna del Marquesado auf die Bar „La Pulga“, die einen sympathischen Eintrag auf Komoot hat. Außerdem ist „La Pulga“ (der Floh) auch der Spitzname von Hanas 12 Jahre altem 8,3 kg leichtem Race-Hardtail, wodurch wir bereits bei der Streckenplanung zuhause einen Fix-Stopp hier anvisiert hatten. Doch leider werden wir wieder mit „Cerrado Miercoles“ enttäuscht. Erste leise Schimpfworte kommen uns über die Lippen. Vor allem, da jetzt auch ein kleiner Doppelgipfel mit fiesen Steilrampen auf uns wartet (erst 220 hm, dann nochmals 150 hm) – wie gerne hätten wir vorher etwas anderes zwischen unsere Zähne geschoben als Dattelpaste und letzte Schokoladen-Reste. Okay, wir haben noch je 2 Packungen travellunch und Trail Organic Food für absolute Notfälle in unseren Taschen (120g leichte und ca. 500 kcal liefernde Trockennahrung zum Aufgießen mit heißem Wasser) – aber so schlimm ist es wieder auch nicht.
Umso größer ist dann die Überraschung und Freude auf der Abfahrt nach Zafrilla: neben der Straße sehen wir die „Bar Papi“ – und die hat tatsächlich geöffnet! Kurz darauf sitzen wir vor 2 Tellern Papas con Huevos fritos, einem gemischten Salat und auch einem Teller Queso frito (frittierter Käse), dazu ein kräftiger Kaffee – göttlich!
Unmittelbar hinter Zafrilla würde nach vielen Kilometern auf Asphalt wieder einmal ein interessanter Offroad-Abschnitt auf uns warten. „Würde“ deshalb, weil der kräftige Regen am Vortag auch hier seine Spuren hinterlassen und die lehmige Piste in einen klumpig-klebrigen Albtraum für alle RadfahrerInnen verwandelt hat. Also nehmen wir – auch auf Anraten der El Papi Inhaberin, die ihre Bikepacking-Affinität mit dem Montañas Vacías-Logo über ihrem Eingang symbolisiert – den Umweg über die Straße und Salinas del Manzano auf uns.
Auf Google Maps sehen wir, dass wir mit einem nur 4 km weiteren Umweg nach Salvacañete (immerhin ein 300-Einwohner-Ort, was für die Region schon sehr groß ist), es rechtzeitig bis 14 Uhr (vor der Siesta) zum Proxim Supermarkt schaffen werden. Wir treten kräftig in die Pedale und nehmen die Steigung hoch in den Ort voller Vorfreude, unsere leeren Provianttaschen wieder mit Salzmandeln, Schokolade, Obst und etwas Brot und Käse für zwischendurch zu füllen. Punkt 13:40 stehen wir vor dem Supermarkt und trauen unseren Augen nicht: „Miercoles 22 Cerrado“ – also nur heute, am 22. Mai – mit der ausdrücklichen Bitte um Entschuldigung („Perdon las molestias“). Diesmal sind die Schimpfworte nicht mehr so leise wie heute vormittags bei der Bar La Pulga. Noch ahnen wir nicht, dass wir heute Abend über diesen scheinbar verhexten Tag entspannt lachen werden, da wir unser absolutes kulinarisches Highlight erleben werden.
Nach den letzten doch recht zehrenden Etappen und Nächten im Zelt freuen wir uns heute wieder einmal auf ein Bett und eine heiße Dusche. In Alobras haben wir bereits gestern Mittag eine Unterkunft recherchiert und gebucht – und zwar das Apartamentos Rurales Fuente del Peral, welches neben einer Waschmaschine auch Frühstück und Abendessen bietet. Beim geschlossenen Supermarkt in Salvacañete schreiben wir noch eine Nachricht an die Unterkunft, ob es in ihrem Ort ein kleines Lebensmittelgeschäft gäbe? Die schnelle Antwort der Inhaberin verblüfft uns: nein, es gäbe kein Geschäft, aber wenn wir etwas brauchen, können wir ihr schnell schreiben, weil sie noch nach Teruel (40 km entfernt) einkaufen fährt. Wir wollen nicht zur Last fallen im Vertrauen, morgen ein offenes Geschäft zu finden und beschwichtigen unsere ursprüngliche Frage mit der Antwort, dass wir nichts Großartiges bräuchten, sondern nur Kleinigkeiten wie Salzmandeln und Schokolade gekauft hätten.
Bis Alobras sind es nur noch knapp 25 km mit einem langgezogenen 300 hm Anstieg und einer finalen Abfahrt. Die Landschaft ist, wie schon seit gestern Nachmittag, nicht atemberaubend, aber durchwegs nett und vor allem sehr einsam und ruhig, obwohl wir heute nur auf Asphalt unterwegs sind. Farbtupfer bilden vor allem die knallgelben Ginster-/Macchia-Büsche, die teilweise ganze Hügelketten zieren. Und auch kräftig rote Mohnblüten sehen wir immer wieder auf den grünen Feldern, vor allem bei der Einfahrt in Alobras, wo wir um 15 Uhr von unserer Quartiergeberin schon erwartet werden. Sie erkundigt sich gleich zur Sicherheit, ob wir eh auch, wie im Voraus angefragt, bei ihnen essen wollen. Wir bestätigen und sie antwortet – in einem für uns viel zu schnellen Spanisch – irgendetwas mit 16:30 Uhr und, dass uns Pedro mit Freude erwartet und bekochen wird … wir gehen davon aus, dass wir ab 16:30 Uhr Essen bekommen, da wir im Vorfeld „comida por la tarde“ angefragt hatten in der fixen Annahme „tarde“ hieße „abends“. Wir bedanken uns vielmals und beziehen unser wunderschönes, großes Apartment, duschen, werfen die Waschmaschine an und lüften unsere Zelt-Schlafsachen. Um kurz nach 16 Uhr pocht es kräftig an unserer Tür. Es ist Pedro, der aufgeregt fragt, wo wir denn blieben, wobei er ein paar Mal mit seiner rechten Hand heftig auf seine Uhr an der linken Hand klopft – das Essen sei fertig und er muss um 16:30 Uhr schließen. Okay, offenbar heißt „por la tarde“ nachmittags, wohingegen wir für abends „por la noche“ hätten schreiben müssen. Wir entschuldigen uns vielmals für das Missverständnis und eilen im Laufschritt hinunter in den Speisesaal. 1 Minute später kommt Pedro mit 2 Tellern köstlich duftender Pasta – leider mit Fleischsoße. Als wir etwas verlegen meinen, Hana sei Vegetarierin, verfällt sein Gesichtsausdruck für den Bruchteil einer Sekunde. Pedro möchte mit 1 Teller zurück in die Küche, doch Peter meint, er könne auch beide Teller aufessen, kein Problem, also muss zumindest nicht der eine Teller wieder retour. Die Fleischsauße ist göttlich gewürzt, ein Traum … kein Vergleich mit der kulinarischen Schmach im 4**** Hostal de La Trucha vor einer Woche. Ein paar Minuten später ist Pedro wieder da mit einem ebenso hervorragend duftenden, vegetarischen Teller: gegrilltes Gemüse, inklusive Puffbohnen (Ackerbohnen), Salat und Ei. Zum Trinken gibt es – wie könnte es in Spanien anders sein – Rotwein aus der Flasche, die bereits geöffnet auf dem Tisch steht. Als 2. Gang serviert Pedro für Peter gegrillte Koteletts mit gebratenen Sonnenblumen- und Kürbiskernen, Tomaten und einer raffinierten Balsamico-Sauce. Hana bekommt ein köstliches Omelett mit Käse, Kräutern und Gemüse. Wir sind jetzt schon sprachlos und fasziniert, wie schnell, kreativ und ausgesprochen schmackhaft Pedro seine Schätze aus der Küche zu uns auf den Tisch zaubert. Als Desserts kommen dann noch ein herrlicher Gries-Zimt-Pudding und ein Teller Orangensalat mit gebratenen Nusskernen, Rosinen und Honig. 2 Minuten nach 16:30 Uhr haben wir fertig gegessen und Pedro kann zusperren. Er fragt, ob wir eh auch zum Abendessen kommen (por la noche) und wir sagen etwas überrascht und sprachlos: „Sí, con mucho gusto“. Pedro, schon ein paar Meter von uns entfernt, lächelt und ruft uns zu: „19:30 Uhr“! Keine Ahnung, wie wir dann in 3 Stunden schon wieder etwas essen sollen, aber wir konnten einfach nicht ablehnen.
Abends dann gleich die nächste Überraschung, als wir uns an den gedeckten Tisch im Speisesaal setzen: vor uns liegen 2 Packungen gesalzene Nüsse/Mandeln und 2 Tafeln dunkle Schokolade – hat uns die Inhaberin tatsächlich aus Teruel vom Einkauf mitgebracht, einfach umwerfend.
Richtig Hunger haben wir nicht, aber durchaus Neugierde und Appetit auf Pedros weitere Kochkünste. Wir haben Glück und es kommen zum Abendessen etwas leichtere Gerichte, dafür umso kunstvoller serviert: eine große Lavasteinplatte mit gerillten Lachs-Steaks, gegrillten Artischocken, einem richtig gut gebratenen und gewürzten Gemüse-Mix, und ein kreativer Tomaten-Turm, gefüllt mit sehr leckerem Mayonnaise-Salat … Muy, muy bien! Für uns das bisher mit Abstand beste Essen, das wir je in Spanien bekommen haben und mehr als nur ein Trost für den heutigen „Miercoles CERRADO“ Unglückstag.
Etappe 11
Nach einem kleinen, aber feinen Frühstück bei Pedro verabschieden wir uns um 8 Uhr morgens von unseren Gastgebern in Alobras. Selbst hier auf „nur noch“ 1.100 m Höhe hat es früh morgens gerade einmal 6° plus, sodass wir – wie mittlerweile gewohnt – mit Beinlingen und GoreTex-Jacken starten. Auf einem Asphalt-Schotter-Mix fahren wir über El Cuervo talabwärts entlang des Ebrón nach Castielfabib. Die als „Klein-Albarracín“ bekannte Ortschaft liegt auf einer felsigen Anhöhe, deren mächtige Festungskirche aus dem 13./14. Jhdt. schon von Weitem zu sehen ist. Wir nehmen die steile Straße hinauf ins Zentrum, das um 9:30 Uhr noch sehr ausgestorben wirkt.
Also fahren wir ohne Einkehr-Stopp weiter bergab bis Torrebaja (750 m Höhe). Hier finden wir endlich den langersehnten, ersten geöffneten Supermercado seit 3 Tagen. Das Sortiment des kleinen Lebensmittelladens ist sehr überschaubar, schließlich wohnen hier nur noch etwa 130 Menschen. Auch eine Bar gibt es in dem Ort (Rincón de Francho), in der trotz der frühen Stunde alkoholische Getränke an den Tischen dominieren. Wir bekommen Kaffee und Bocadillos (Sandwiches) – kein kulinarisches Highlight, aber wichtig, wartet auf uns jetzt im Anschluss doch der 1.000 Höhenmeter Anstieg hinauf zum Refugio Collado del Buey (Sierra de Javalambre). Eier oder Kartoffeln gibt es diesmal also nicht (offenbar sind wir zu früh für warmes Essen), aber wir bekommen in der Bar ein kleines Säckchen mit Kirschen geschenkt, die morgen Früh unseren Kaiserschmarrn verfeinern werden.
Hinter Torrebaja beginnt es bald ordentlich zu steigen. Und erstmals seit Beginn unserer Reise rinnen auch wieder vermehrt Schweißtropfen über unsere Gesichter, da es unter 1.000 m Seehöhe doch deutlich wärmer ist als in den hohen Regionen der letzten Tage. Und auch Vegetation und Landschaft bieten hier im Turia-Tal Richtung Teruel endlich wieder einen wohltuenden Kontrast zu den etwas monotonen Etappen der letzten Tage durch die endlosen Kiefernwälder. Rote Felsen und Canyons leuchten zwischen den karg bewachsenen Berghängen zu uns herauf – wir befinden uns mittlerweile schon wieder 400 Höhenmeter über dem Tal. Unsere „strade bianche“ schlängeln sich malerisch durch Olivenhaine auf weiß-rötlichen Böden. Im Hintergrund ragen die 2.000 m hohen Bergrücken der Sierra de Javalambre empor.
Nachdem wir erst wieder morgen Mittag gesichert Wasser bekommen werden, haben wir in Torrebaja auch unseren 4 Liter Wassersack vorsichtshalber gefüllt, um genügen Reserven zum Trinken, Kochen, Duschen und Abwaschen zu haben. Auf ca. 1.450 m Höhe finden wir dann jedoch etwas oberhalb der Piste eine Quelle, aus der – spärlich aber doch – frisches Wasser rinnt. Wir filtern es zur Sicherheit und füllen nochmals all unsere Flaschen.
Danach treten wir noch die letzten 300 Höhenmeter durch lichte Kiefernwälder berghoch zum 1.720 m hohen Refugio Collado del Buey am Rande des Parque Natural Puebla de San Miguel. Das sehr idyllisch auf einem aussichtsreichen Plateau gelegene Refugio hat diesmal keine verschließbare Tür, sondern einen offenen Eingang, bietet aber dennoch einen hervorragenden Wetter-Schutz, vor allem durch das offensichtlich neu gedeckte Ziegel-Dach. Wir waschen uns in der Sonne, liegen ein wenig vor der Hütte in der Sonne und kochen abends ein feines Essen – ohne andere Menschen weit und breit. Erst als wir bereits im Zelt liegen, das wir diesmal innerhalb des Refugios aufgestellt haben, hören wir ein Auto kommen und kurz darauf eine Person das Refugio betreten. Er (wie sich später herausstellt) übernachtet auch hier und wird morgen früh eine kurze Sonnenaufgangswanderung unternehmen. Zum Glück wird es für uns aber dennoch eine ruhige und erholsame Nacht ohne Schnarcher.
Etappe 12
Im Licht unserer Stirnlampen und des vom wolkenlosen Himmel strahlenden Vollmonds frühstücken wir vor dem Refugio in unsere Daunenjacken gehüllt. Es ist ein stimmungsvoller Morgen an einem absolut großartigen Ort. Nicht umsonst hatten wir vorab bei der Tourenplanung das Refugio Collado del Buey auch als einen der drei „wenn irgendwie möglich“ Etappenzielorte anvisiert.
Als dann gegen 8 Uhr die ersten Sonnenstrahlen unsere Gesichter kitzeln, starten wir die letzte große Bergfahrt – hinauf zum Pico Javalambre (2.020 m). Über eine teils herrlich glatte, teils etwas ruppig-steinigere Piste geht es sanft steigend über die weite Karstlandschaft berghoch. Zwischendurch gibt es auch ein paar kurze Abfahrten und wir passieren sogar eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, auf der gerade ein Traktor die rote Erde lockert, während hunderte Schafe ringsum die felsdurchsetzten Wiesen entlang der Berghänge abgrasen.
Immer wieder bleiben wir stehen und blicken über die fantastische Landschaft, ehe wir am Gipfel des Javalambre (2.020 m) eine etwas längere Pause einlegen. Hinter dem massiven, rot-weiß-gestreiften Sender und der Bergstation des Skigebiets reichen unsere Blicke weit über die – hunderte Höhenmeter tiefer liegenden – Ebenen rund um Teruel.
900 Höhenmeter geht es jetzt für uns herrlich bergab über unterschiedlichste Schotter-, Asphalt- und Doubletrack-Pisten bis zur Via Verde Ojos Negros, auf der wir genüsslich entlang rollen, bis wir schon nach 2 km im Hotel „La Fonda de la Estación“ einen Kaffee-Stopp einlegen. Hier treffen wir einen deutschen Radreisenden mit Beinprothese, der von Portugal aus heimwärts fährt und uns begeistert Geschichten seiner Reise erzählt. Nachdem wir in der Hotel-Bar kein Essen bekommen, ziehen wir aber bald wieder weiter, kreuzen die A23 und jausnen in La Puebla de Valverde in einem Park ein paar eigene Vorräte.
Vorbei an Lavendelfeldern geht es noch weitere ca. 20 km eher flach dahin bis Mora de Rubielos, wo wir in der BP-Tankstelle mit Mini-Shop dank der sympathischen Öffnungszeiten (7-22 Uhr) ein wenig einkaufen und anschließend in der Bar direkt nebenan (Restaurante LaGaso) ein paar warme Leckerbissen aus der großen Tapas-Vitrine bestellen: klassische Tortilla, gefüllte rote, süßscharfe Paprika, Fleischbällchen in Sauce, dazu gemischter Salat, Brot und Olivenöl … muy, muy bien!
Gut gestärkt geht es zum finalen 600 Höhenmeter Schlussanstieg zum Refugio del Hortalán bei der gleichnamigen Fuente (Quelle). Die erste Hälfte auf Asphalt, die zweite Hälfte in einer sehr angenehmen Steigung auf feinem Schotter vergehen die Kilometer wie im Flug und im Nu sind wir beim Refugio, vor dem bereits 2 bepackte Gravelbikes lehnen. Wir lernen ein Deutsch-Chinesisches Paar kennen, welches gemeinsam in Valencia lebt und gerade die erste Bikepacking-Tour und auch heute Radreise-Übernachtung absolviert. Nach einem sehr netten Plausch rollen wir ein paar Meter abwärts in den Picknick-Bereich, wo wir unser Zelt platzieren, und überlassen (wie schon gewohnt) das Refugio den anderen. Aus der Fuente del Hortalán rinnt übrigens – wie zu Beginn unserer Reise im Parc Natural dels Ports – kein einziger Tropfen Wasser. Gut, dass wir unsere Flaschen und den Wassersack bei der Tankstelle in Mora de Rubielos vollgefüllt haben, denn auch morgen wird es einige Kilometer bergauf und bergab gehen, ehe wir in einen Ort kommen und frisches Wasser finden werden.
Etappe 13
Etwa 16 km geht es heute zu Beginn der Etappe bergauf-bergab wieder einmal durch felsdurchsetzte, lichte Kiefernwälder. So schön die Morgenstimmung auf den einsamen, herrlich zu fahrenden Gravel-Pisten auch ist, wir freuen uns mittlerweile schon durchaus auf etwas landschaftliche Abwechslung und darüber, dass wir heute die „offizielle“ Montañas Vacías-Route Richtung Küste verlassen werden.
Umso mehr jubeln wir über die flotte Asphalt-Abfahrt nach Linares de Mora, wo wir eine genüssliche Pause in der mit Abstand besten Bäckerei unserer Tour einlegen („Horno de leña Linares de Mora“). Wir kaufen eine bunte Auswahl süßer und herzhafter Leckereien und verkosten das meiste mit jeweils zwei Tassen kräftigem Kaffee an Ort und Stelle. Wieder sind es vor allem die herzhaften Empanadillas, die uns begeistern (Teigtaschen – u.a. gefüllt mit roten Paprika, Zwiebeln und Thunfisch), aber auch die knusprige Focaccia und das marzipanähnliche Mandelbrot sind ein Traum.
Linares de Mora ist Teil des Camino del Cid und schmückt sich mit mehreren Gütesiegeln, u.a. mit jenem der „Pueblos Mágicos de España“. Also drehen auch wir nach der hervorragenden Stärkung in der Bäckerei eine kleine Sightseeing-Runde durch die verwinkelten, schmalen Gassen des Zentrums. Den schönsten Blick auf die Ortschaft hat man jedoch danach auf dem 350 Höhenmeter Asphaltanstieg hinauf zum 1.655 m hohen Puerto de Linares.
Mittlerweile haben wir auch die „offizielle“ Montañas Vacías-Route verlassen uns steuern auf die nächste malerische Ortschaft zu: Puertomingalvo. Diesmal ist es das Gütesiegel „Un de los pueblos más Bonitos de España“, welches uns auf die besondere Lage und architektonischen Kostbarkeiten dieses mittelalterlichen Dorfes aufmerksam macht. Vor allem das auf einem kleinen Felsen thronende, gut restaurierte „Castillo de Puertomingalvo“ sowie die „Iglesia Virgen de la Purificación y San Blas“ aus dem 14. Jhdt. locken durchaus Touristen in diese sonst so verlassene Gegend. Die Website www.puertomingalvo.es informiert ausführlich über die zahlreichen Feste (Fiestas) und Sehenswürdigkeiten (¿Qué ver?) „eines der schönsten Dörfer Spaniens“.
Für uns beginnt unmittelbar hinter der Ortschaft eine wunderschöne Gravel-Piste mit weiten Panoramablicken zurück auf die Hügelketten rund um Puertomingalvo. Auf 10 km geht es immer leicht auf- und abwärts flott dahin, bis wir den höchsten Punkt (1.580 m) erreichen, von dem aus es die letzten Kilometer – teilweise etwas ruppiger – bergab zu unserem anvisierten Etappenziel geht: dem Camping-Areal „El Planàs“ nahe der Pilger-Stätte „Sant Joan De Penyagolosa“. Der öffentliche und kostenlose Camping-Platz (keine Rezeption) lockt am Wochenende (heute ist Samstag) viele Einheimische mit ihren Autos und Zelten hierher, um zusammenzusitzen, zu grillen und eine Nacht inmitten der Natur zu genießen. Innerhalb dieser großartigen Einrichtung gibt es sogar ein Häuschen mit Toiletten und Duschen, oberhalb dessen wir abseits der Wege unser Zelt auf einem ebenen Waldstück platzieren.
Etappe 14
„Ab an die Küste“ ist das Motto beim heutigen Etappen-Start. Das Camping-Areal, an dem wir eine angenehme Nacht verbringen konnten, ist um 8:20 Uhr noch sehr ruhig. Uns begegnen beim Verlassen des „El Planàs“ nur sehr wenige, durchwegs verschlafene Gesichter. Zum Munterwerden geht es für uns noch einmal 130 Höhenmeter berghoch, bevor wir die lange, sensationelle Abfahrt nach Xodos (Schotter) und weiter (Asphalt) nach Atzeneta del Maestrat starten.
20 km geht es mit nur kurzen Gegenanstiegen meist sehr lässig und flott bergab. Die fein asphaltierte CV-170 (und kurz CV-15) verlassen wir nach 36 km Richtung „Silla Amarilla Vall D’alba“, dem überdimensional großen gelben Stuhl am Weg der 7 Stühle (Via 7 Cadires/Sillas). Am grünen Stuhl fahren wir wenig später vorbei – die schmale Piste führt hier anfangs auf Asphalt, später auf feinem Schotter durch ausgedehnte Mandel-Plantagen.
Zwischendurch jausnen wir in Bell-Lloc auf einem schattigen Bankerl neben einem Brunnen: neben Weißbrot mit Butter und Käse gibt es passend zur Region geröstete Salzmandeln und eine Orange – wir sind ja seit gestern Nachmittag mittlerweile wieder in der Comunidad Valenciana, die wie keine andere Region Spaniens für den Anbau der „besten Orangen der Welt“ bekannt ist. Zwar sehen wir unterwegs auch ein paar leuchtend orange Früchte an den Bäumen, aber es wird wenig später ein üppig tragender Pfirsich-Baum, der uns unmittelbar neben dem Wegesrand einen weiteren kurzen Stopp aufzwingt. Zusammen mit ein paar Rosmarinzweigen, die wir auch am Wegesrand finden, werden diese Pfirsiche wenig später in einer Pfanne braten und uns mit Weißbrot und Butter eine überaus köstliche Zwischenmahlzeit in unserem Quartier an der Küste bescheren. Bis dahin gilt es aber noch einige Kilometer abzuspulen.
Noch einmal geht es ca. 100 langgezogene Höhenmeter berghoch auf eine kleine Anhöhe (Seehöhe 420 m), von der aus wir zum ersten Mal seit Etappe 1 die Küste und das dahinter liegende Balearen-Meer erblicken.
Weitere 16 km später stehen wir in Torrenostra dann endlich am Strand und feiern das Erreichen der Küste mit einem Kaffee- und Radler-Stopp in einer kleinen Bar. Im 10 km entfernten Alcossebre haben wir bereits ein Apartment für eine Nacht gebucht. Nachdem wir bereits um 15 Uhr einchecken, haben wir auch noch ein paar sonnige Stunden im angenehm ruhigen Küstenort, wo es sich zur Hauptsaison bestimmt ziemlich abspielen muss. Jedenfalls bilden die unzähligen Hotel-Burgen und Apartment-Anlagen einen krassen Kontrast zu den „leeren Bergen“ der letzten Tage und wir sind wieder einmal extrem unschlüssig, ob dieser abrupte Wechsel nach einer derart naturnahen, langen Reise innerlich guttut oder nicht. So sehr wir den weiten Blick über das Meer, den salzigen Geruch und das Geräusch der Wellen lieben, so sehr missfallen uns Optik und Flair derart hypertouristischer Gegenden.
Etappe 15 – Finale
Nach den letzten fünf Etappen bei strahlendem Sonnenschein trüben heute erstmals von Beginn an dunkle Wolken und leichter Nieselregnen etwas die Stimmung. Vor uns liegt der knapp 20 km lange Küstenabschnitt im Parc Natural de la Serra d’Irta zwischen Alcossebre und Peníscola, der bei gutem Wetter bestimmt nochmals ein absolutes Highlight wäre. Eine teils recht ruppige, da mit Steinen durchsetzte Schotterpiste führt durch die großteils unberührte Landschaft. Immer wieder geht es kurz auf- und wieder abwärts, vorbei an Klippen und Buchten, an Stränden mit Sand oder Kieselsteinen. Die Erosion durch das Meerwasser hat hier über die Jahrhunderte zahlreiche Höhlen und Klippen hervorgebracht, hinter denen sich das über 500 m hohe, unbebaute Küstengebirge erhebt. Ein etwas längerer Anstieg in Serpentinen führt hinauf zum alten Wachtturm Torre Badum, ab dem die Piste deutlich breiter und bald asphaltiert wird.
Nach ca. 1,5 h Fahrzeit erreichen wir Peníscola, eine kulturell höchst interessante und absolut sehenswerte Stadt, deren historisches Zentrum auf einem imposanten Felsen gut 60 m über dem Meer thront. Wir nehmen im kleinen Cafe Soseta ein zweites Frühstück ein und beobachten das bunte Treiben am benachbarten Marktplatz (Mercadillo Peñíscola).
Die folgenden 40 km über Benicarló und Vinaròs nach La Ràpita sind nicht wirklich prickelnd, auch wenn es immer wieder etwas zum Entdecken und Betrachten gibt. Teilweise führt unsere Route auf schönen, schmalen Radwegen direkt entlang der Küste, vorbei an ausgedehnten Stränden, teilweise geht es durch dicht bebautes Stadtgebiet mit unzähligen kleinen Geschäften, Restaurants und Bars. Riesige Bettenburgen flankieren die größeren Ortschaften und lassen uns erahnen, was hier im Sommer los sein muss. In Gedanken sind wir schon längst beim Ende unserer Reise und die Vorfreude, es bald geschafft zu haben, dominiert. In La Ràpita kehren wir im Lo Nou Cafè ein – noch einmal gibt es Omelette mit Salat und Pan con Tomate sowie im Anschluss einen üppigen Mix süßer Versuchungen.
Damit geht es gut gestärkt zum letzten Highlight unserer Reise: dem Ebro-Delta, über das die Agència Catalana de Turisme auf ihrer Website wie folgt informiert:
„Das Ebrodelta ist ein Ort der Wunder: Es gehört zu den wenigen Plätzen auf der Welt, an denen der Eingriff des Menschen in die Natur nicht zu einem Artenrückgang, sondern zur Erschaffung eines Paradieses geführt hat, das nun als Naturpark Ebrodelta unter Schutz steht.
Bis zum 19 Jahrhundert wurde das Delta nur als Weideland genutzt, denn die salzhaltigen Böden waren für herkömmliche Landwirtschaft ungeeignet. Doch mit dem Beginn des Reisanbaus wurden große Mengen von Süßwasser aus dem Ebro ins Delta geleitet und es entstand eine faszinierende Vielfalt von Lebensräumen für Vögel, Fische und Amphibien … In diesem bunten Mosaik von Biotopen im Naturpark Ebrodelta leben bis zu 350 verschiedene Vogelarten. Manche von ihnen überwintern hier, andere nutzen das Delta als Rastplatz auf ihrem Weg nach Afrika, wieder andere verbringen als „Standvögel“ ihr ganzes Leben zwischen Reisfeldern, Lagunen und Mittelmeer. Birdwatcher werden sich hier wie im Paradies fühlen – und ziemlich mit sich kämpfen müssen, wenn man ihnen vorschlägt, doch mal etwas anderes zu tun, als durch ein Spektiv zu schauen. Dabei ist es der reine Genuss, diese Ebene mit ihren Reisfeldern, Flusswäldern, Lagunen, Tümpeln und feinen Sandstränden mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erkunden …“
(https://katalonien-tourismus.de/)
Unsere Route führt auf schmalen Asphalt- und Schotterpisten im wilden Zick-Zack zwischen zahlreichen Wasserkanälen und Seen durch das Ebro-Delta. Am Mirador und Observatorio de Patrau glauben wir in einiger Entfernung ein paar Flamingos im Wasser zu erspähen. Zur genauen Bestimmung fehlen uns jedoch sowohl ein Fernglas als auch die ornithologische Expertise 😉.
Über die mächtige und historisch bedeutsame Brücke von Amposta queren wir schlussendlich den Ebro, den nach dem Tajo, an dessen Quelle wir 8 Tage zuvor gestanden haben, zweitlängsten Fluss der iberischen Halbinsel.
Kurz darauf sind wir zurück bei unserem Ausgangsquartier, dem Mas Masdeu in l’Aldea, wo wir bei einem köstlichen Abendessen mit einem Glas Rotwein auf unsere großartige Reise durch und um die „leeren Berge“ Spaniens anstoßen.
Unsere Route
Etappen auf Strava
Etappe #01 5:19:02 56,87 km 1.680 m
Etappe #02 7:27:56 93,07 km 2.131 m
Etappe #03 5:38:25 85,18 km 1.552 m
Etappe #04 5:46:17 65,52 km 1.738 m
Etappe #05 4:45:45 56,28 km 928 m
Etappe #06 7:38:36 89,31 km 2.241 m
Etappe #07 4:12:31 66,54 km 800 m
Etappe #08 5:33:42 80,42 km 1.507 m
Etappe #09 6:46:16 90,19 km 1.666 m
Etappe #10 4:07:43 70,52 km 1.133 m
Etappe #11 5:00:03 55,56 km 1.544 m
Etappe #12 5:34:48 74,09 km 1.506 m
Etappe #13 4:22:54 62,79 km 1.173 m
Etappe #14 4:23:19 77,88 km 750 m
Etappe #15 5:05:40 83,44 km 439 m
GESAMT: 1.107km / 20.788 hm