Montañas Vacías Extended – Teil 1

Montañas Vacías Extended – Teil 1

Bei unserer 1.880 km langen Travesía de España hatten wir uns 2021 in das Bikepacking-Paradies Spanien so richtig verliebt. Also war es 2024 für uns höchste Zeit, wieder einmal Richtung iberischer Halbinsel aufzubrechen, diesmal im späten Frühling (statt im Herbst), diesmal mit unseren Gravelbikes (statt mit unseren Velotraum-Reiserädern) und diesmal zu einer 1.100 km Rundreise (statt einer Durchquerung von A nach B).

Wir entschieden uns für die Montañas Vacías, die „leeren Berge“, die sich zwischen den Großstädten Madrid, Valencia, Saragossa und Barcelona befinden. Auf Grund der extrem dünnen Besiedelung trägt die Bergregion der Serranía Celtibérica auch den Spitznamen „Spanisch Lappland“, was man hinsichtlich Verpflegung (Supermärkte, Bars, …) für unmotorisierte Outdoor-Aktivitäten in dieser Gegend auf jeden Fall bei der Reise-Planung berücksichtigen sollte. Ansonsten bieten die Montañas Vacías eine großartige Infrastruktur für Radreisende aller Art: einsame, schmale Asphaltstraßen, endlose Gravelpisten, zahlreiche Refugios für eine überdachte Nacht inmitten der wunderbaren Naturlandschaft und – zumindest in der Serrania de Cuenca (Kastilien La Mancha) – eine großartige Wasserversorgung mit vielen Quellen und ungechlorten (!) Brunnen. Außerdem gibt es seit einigen Jahren eine „offizielle“ 680 km lange Bikepacking-Runde mit dem Namen „Montañas Vacías“, die mittlerweile sehr beliebt ist, da man im Internet (montanasvacias.com) zahlreiche Informationen inkl. GPS-Tracks und Roadbook zu dieser Tour findet.

Einen Teil dieser Montañas Vacías Bikepacking-Route im Naturpark Alto Tajo kannten wir bereits von unserer Travesía de España 2021. Rückblickend war es definitiv nicht der spannendste Teil unserer Spanien-Durchquerung, da uns baumlose, karge Landschaften mit weiten Panoramablicken lieber sind als elendslange, irgendwann monotone Fahrten durch Kiefernwälder. Umso mehr wollten wir bei der Planung unserer Montañas Vacías „Extended“ Route (5 Etappen zu Beginn und 3 am Ende) die „Original-Route“ mit ein paar landschaftlichen Highlights ergänzen, unter anderem:

  • Etappe 01: TA05 Mont Caro (Asphaltanstieg in den Parc Natural dels Ports)
  • Etappe 02: Panoramastraße zwischen Fredes und Morella (CV-105)
  • Etappe 03: Gravel-Piste von La Iglesuela del Cid nach Fortanete
  • Etappe 03: „The Silent Route“ (A-1702)
  • Etappe 04: Gravel-Piste Los Jadriales (Sierra del Pobo)
  • Etappe 05: Gravel-Piste von El Pobo nach Corbalán
  • Etappe 13: Gravel-Piste von Puertomingalvo nach San Juan
  • Etappe 14: Gravel-Pisten Richtung Mittelmeerküste/Torrenostra
  • Etappe 15: Mittelmeerküste: Naturpark Serra d’Irta
  • Etappe 15: Ebro-Delta

Unsere Route

GESAMT: 1.107km / 20.788 hm

Die Anreise

Mit einem Zwischenstopp in Arles (Camping L’Arlésienne, von dem aus wir abends mit dem Rad ins Zentrum bummeln) reisen wir Mitte Mai die ca. 1.570 km mit unseren Gravel-Bikes und Packtaschen im Caddy bis nach L’Aldea (Katalonien), wo wir im Vorfeld ein abgeschiedenes Quartier mit großem Parkplatz recherchierten (Mas Masdeu). Dass wir hier unser Auto für ca. 2 Wochen ohne Probleme parken dürfen, hatten wir im Vorfeld geklärt. Abends bekommen wir ein hervorragendes 3-Gang-Menü (vegetarisch für Hana kein Problem) und auch das Frühstück am nächsten Morgen mit Omelette, Tomaten mit Olivenöl, Kuchen, Marmeladen und etwas Obst schmeckt ausgezeichnet und stärkt für die ersten Kilometer am Bike. 

Etappe 1

Wir möchten unsere 15-tägige Reise gemütlich angehen und starten zum Akklimatisieren mit einer kurzen Etappe. Die ersten Kilometer bis Tortosa pedalieren wir großteils genüsslich dahin und drehen auch eine ausgedehnte Runde durch die alte katalanische Bischofsstadt am Ebro. Im Mercat Municipal werfen wir einen Blick auf regionale Spezialitäten (leider sind wir noch sehr satt), ehe wir durch schmale Gassen zur großen gotischen Kathedrale (Santa Maria de Tortosa) und weiter ans Ebro-Ufer rollen, mit Blick auf die alte rote Eisenbahnbrücke (Pont Roig Via Verda).

Kurz geht es dann für uns auf der Via Verda Val de Zafán stadtauswärts, bis wir auf die mit „CIMA TA05“ markierte Radroute Richtung Mont Caro und Parc Natural dels Ports abzweigen. Vorbei an üppig tragenden Mandel- und blühenden Olivenbäumen steigen wir auf einer herrlichen, absolut verkehrsarmen Serpentinenstraße ca. 1.000 Höhenmeter berghoch zum Mirador del Portell. Hier rasten wir kurz und blicken von der wilden Felskulisse des Naturparks über das weite Ebro-Delta bis hin zur (leider etwas wolkenverhangenen) Mittelmeerküste.

Beim Refugio de Caro finden wir (zum Glück!) einen Wasserhahn an der Rückseite der Hütte und füllen nochmals zur Sicherheit all unsere Flaschen und auch den 4l Wassersack, da die Gegend extrem trocken wirkt und wir nicht auf die eingezeichneten Brunnen und Quellen entlang unserer weiteren Route vertrauen (wir werden tatsächlich erst am nächsten Tag in Fredes nach 4h Unterwegssein wieder Wasser bekommen). Beim Refugio plauschen wir auch nett mit einem Lehrer, der mit seiner Schulklasse heute hier übernachten möchte. Ohne die Kindergruppe wäre das Refugio heute wahrscheinlich ebenso menschenleer wie die nächsten Kilometer, die uns erwarten.

Bald nach dem Refugio de Caro wechselt der Belag von Asphalt auf Schotter und beim Rastplatz „Cova Avellanes“ bewahrheitet sich unsere Vermutung: alle Bäche und auf den digitalen Karten eingezeichneten Quellen sind komplett ausgetrocknet.

Nach einer Links-Abzweigung führt unser Track in eine etwas ruppigere Doubletrack-Piste, die nach ca. 5 km in einen steilen Fußweg mündet. Es folgt eine ca. 1 km lange Schiebe-/Trage-Passage zu den Refugi Mas de Frare, bei denen wir unsere erste Nacht geplant haben. Das erste Steinhaus ist verschlossen und mit der Aufschrift „no es un refugi …“, aber ein paar unwegsame Meter oberhalb steht eine Hütte mit der Aufschrift „refugi lliure“, in der das Übernachten gestattet ist. Zwar gäbe es auch ein paar schöne ebene Wiesenstellen für unser Zelt, aber nachdem die Wetterprognose heute Nacht und morgen Früh einiges an Regen prognostiziert, richten wir es uns dankbar im überdachten Innenraum ein.

Etappe 2

Die Wetterprognose (Meteoblue) ist heute wieder einmal absolut präzise. Während unseres Indoor-Frühstücks im Refugio regnet es draußen noch ordentlich. Ab 10 Uhr soll es trocken sein und so starten wir um 9:20 bei dunklen Wolken und nur noch leichtem Nieselregen, bereits etwas ungeduldig, da diese Etappe eine der längsten werden sollte.

Wie erwartet geht es zu Beginn ähnlich weiter wie gestern am Ende unserer Etappe: mit einem Fußmarsch. Nur dass heute alles nass und rutschig ist, was die ersten 2 km im Regengewand noch zusätzlich etwas erschwert. Nach ca. 50 Minuten erreichen wir eine weitere kleine, überdachte Not-Unterkunft am Ende (für uns Beginn) einer Doubletrack-Piste. Wir sind froh gestern im „Mas del Frare“ genächtigt zu haben, denn innen wirkt dieses (namenlose) Refugio nicht ganz so gemütlich.

Ab hier gibt es wieder eine gut fahrbare Piste, die uns bald zu einer besonderen Sehenswürdigkeit bringt: der „Faig Pare“ („Vater der Buchen“) – ein mystischer, etwa 250 Jahre alter Baum mit einem gewaltigen Wurzelstock. Auch wir halten hier, fotografieren und staunen.

Insgesamt geht es jetzt 25 km immer bergauf-bergab über unterschiedlichste Gravel-Beläge durch den Parc Natural dels Ports und dessen waldige Ausläufer. Nach 4h Unterwegssein erreichen wir das kleine Bergdorf Fredes, welches nicht mehr in Katalonien liegt, sondern bereits in der Comunitat Valenciana, durch die wir die kommenden ca. 100 km reisen werden.

Das kleine Dorf wirkt wie ausgestorben, die einzige Bar hat geschlossen. Aber zum Glück gibt es bei der Dorfeinfahrt einen ungechlorten Brunnen, bei dem wir unsere beinahe leeren Flaschen auffüllen. Auch eine 5-köpfige Wandergruppe fällt – sichtlich erschöpft und nahezu dehydriert – über das kühle, klare Wasser her.

Kurz nach Fredes passieren wir sogar ein geöffnetes Lokal neben der Straße (Restaurante Europa). Nachdem wir in Fredes bereits eigene Vorräte gejausnet haben, fahren wir weiter Richtung Morella. Über el Boixar und Castell de Cabres führt eine traumhafte, verkehrsarme Panoramastraße (CV-105), die auch mit dem Rennrad sicherlich ein Genuss sein muss. Die Blicke reichen über einige Berg- und Hügelketten bis weit an die Küste und das blitzblaue Mittelmeer.

Nach 28 km stehen wir auf der 1.259m hohe Passhöhe Puerto de Torremiro, wo wir uns auf Grund der fortgeschrittenen Uhrzeit für eine kleine Routenänderung entscheiden und auf direktem Weg (N-232, bei uns kein Verkehr) nach Morella bergab düsen, anstatt über Xiva de Morella.

Eine majestätische Burg thront über der kleinen Stadt, die mit ihrer imposanten Lage und gut erhaltenen Architektur des 13./14. Jahrhunderts zahlreiche Touristen anlockt. Unter anderem gibt es in Morella einen beeindruckenden Aquädukt und eine prächtige Kirche im Stil der valencianischen Gotik zu besichtigen. Wir drehen auch eine Runde durch das Zentrum und gönnen uns Kaffee und Kuchen in einer Bar, bevor wir im kleinen Charter Supermarkt ein wenig Proviant kaufen.

Vor uns liegen noch etwa 30 km und einige Anstiege bis zu unserem anvisierten Etappenziel beim Mas de Falcó. In Cintorres füllen wir nochmals zur Sicherheit all unsere Wassergefäße – Brunnen finden wir keinen, aber es gibt einen kleinen Supermarkt, der auf Google Maps nicht eingetragen ist. Diesen Wasser-Refill hätte es heute gar nicht gebraucht, da der Brunnen beim Mas de Falcó herrlich kaltes Wasser spendet. Damit können wir für die Körperpflege und den Abwasch aus dem Vollen schöpfen und freuen uns darüber hinaus über den Luxus eines überdachten Pick-Nick-Platzes mit Tischbank. Das Refugio Forestal selbst ist verschlossen. Laut Google Rezensionen wird es von der Stadtverwaltung von Castellfort verwaltet und kann für Veranstaltungen/Übernachtungen angefragt werden. Wir genießen die absolute Ruhe und Idylle auf 1.040m Seehöhe und verbringen eine herrlich erholsame Nacht in unserem Zelt.

Etappe 3

Nach einem genüsslichen Kaiserschmarrn-Frühstück, bei dem wir in all unsere Jacken gehüllt die aufgehende Sonne begrüßen, geht es zu Beginn der 3. Etappe auf Asphalt zum malerischen Bergdorf Castellfort und weiter berghoch zum knapp 1.300 m hohen Coll (Port) de Sant Pere. Den Abstecher zur Ermita aus dem 12./13. Jhdt. lassen wir aus und begnügen uns mit den zahlreichen Fotomotiven direkt neben uns. Vor allem die jahrhundertealten, kunstvoll errichteten Steinmauern mit ihrer vertikalen Schluss-Schicht, die über zig-tausende Kilometer die ehemaligen Weidegebiete der einst landwirtschaftlich genutzten Gegend eingrenzen, schmücken das weitläufige 360°-Panorama.

Einen krassen Kontrast dazu bilden die gigantischen Windräder des Parque Eólico Arriello. Das graue Band der CV-126 schlängelt sich ästhetisch mitten durch die Windkraftanlage Richtung Villafranca del Cid, wo wir in der wärmenden Sonne ein 2. Frühstück genießen (kräftigen schwarzen Kaffee und Süßes aus der Bäckerei).

Kurz darauf verlassen wir die Comunitat Valenciana und erreichen die Provinz Teruel in der Region Aragón. Im Pilgerort La Iglesuela del Cid (am Camino del Cid gelegen) drehen wir eine Runde durch das absolut sehenswerte Zentrum, bevor wir kurz darauf wieder in eine völlig einsame, weite Naturlandschaft eintauchen.

Gut 20 km bis Fortanete geht es für uns großteils auf guten Gravel-Pisten durch lichte Wälder und über zahlreiche Lichtungen. Nach der anfänglichen 400 Höhenmeter Steigung bewegen wir uns dabei immer auf einer Seehöhe über 1.500, teils über 1.600 Meter. Unsere direkte Route über einen etwas ruppigeren, ca. 2 km langen Abschnitt belohnt das langsamere Vorwärtskommen mit einigen besonderen Panorama-Plätzen und eindrucksvollen Offroad-Passagen.

Ab Fortanete (zuvor eine herrliche Abfahrt auf ca. 1.350 m) geht es wieder auf Asphalt weiter und gute 300 Höhenmeter bergauf zum 1.657m hohen Puerto de Cuarto Pelado. Kurz darauf zweigen wir in die A-1702, welche uns mit der verheißungsvollen Tafel „Ruta The Silent Route“ willkommen heißt. Auf der Website https://thesilentroute.com erfährt man über diese touristische Initiative Folgendes:

Auf einer Länge von nur 63 Kilometern führt die kurvenreiche Strecke durch einige der schönsten und rauesten Landschaften der Provinz Teruel; sie bietet Zugang zu unglaublichen Natur- und Kulturlandschaften; sie führt durch Dörfer mit einer langen Geschichte, und es ist notwendig, sie im eigenen Tempo zu genießen … eine Panoramastraße, bei der es vor allem darum geht, zu genießen, langsam zu fahren, um die Großartigkeit der Landschaften zu spüren, die man vorfindet, in jedem Dorf, an jeder Straßenverbreiterung anzuhalten und sich von diesem Naturschauspiel berühren zu lassen. Kurz gesagt, üben Sie sich im ‚slowdriving‘, im langsamen Fahren, und lassen Sie sich von all den Eindrücken, die die Straße zu bieten hat, einfangen. Es spielt keine Rolle, welches Fahrzeug Sie benutzen, Auto, Motorrad, Fahrrad … der geringe Verkehr und die Stille werden es Ihnen erlauben, es in jedem von ihnen zu genießen.
(https://thesilentroute.com)

Und tatsächlich ist diese „Silent Route“ auch für Radfahrer ein absoluter Genuss, vor allem wenn man so wie wir von der „richtigen“ Seite kommt, denn für uns geht es jetzt gute 600 Höhenmeter bergab durch eine wilde Schlucht mit imposanten Felsformationen. Vorbei an Cañada de Benatanduz, wo einige Autos parken, die auf Sehenswürdigkeiten und Panoramaplätze schließen lassen (Mirador del Castillo), rollen wir bis zum Hostal de La Trucha, in dem wir vorab (gestern) ein Zimmer mit Abendessen und Frühstück gebucht haben.

So sehr wir uns auf den Aufenthalt in diesem absolut sehenswerten, historischen 4-Sterne-Hotel gefreut haben, so sehr werden wir leider beim Abendessen enttäuscht.  Es gibt 4 Menüs zur Auswahl, keines davon vegetarisch, was mittlerweile einfach nur traurig ist. Als vegetarische Alternative wird Hana als 1. Gang ein Teller Pasta mit Sauce, die wie mit Wasser verdünntes Ketchup aussieht und schmeckt, serviert – keine Kräuter, kein Olivenöl … und als Hauptgang ein Teller aufgewärmtes Tiefkühlgemüse unterster Qualität, abermals ohne einen Funken an Liebe oder Raffinesse. Wieso kann man das Gemüse nicht in der Pfanne anbraten, etwas würzen und mit Olivenöl übergießen? Es werden auf Anfrage (vorab bei der Bestellung) von der Küche sowohl Käse als auch Eier verneint (obwohl es am nächsten Morgen eine Tortilla und natürlich auch Käse zum Frühstück geben wird) … Aber auch das Fleisch-Menü ist eine absolute Enttäuschung: der Eintopf besteht aus einer glibbrigen, geschmackslosen Sauce. Das Fleisch ist immerhin zart und schön weichgekocht, aber insgesamt auf Grund der traurigen Sauce überhaupt kein Genuss. Sehr, sehr schade, wenn man sich nach einem ganzen Tag am Fahrrad auf das Essen freut und dann eigentlich immer gilt: „Hunger ist der beste Koch“ … hier definitiv nicht.

Etappe 4

Die ersten 1,5 Kilometer geht es heute auf derselben Straße zurück, von der wir gestern gekommen sind, um dann westwärts Richtung Pitarque abzuzweigen. Bis zum Puerto de San Cristobal (1.498 m) steigen wir 600 Höhenmeter über eine großartige, komplett einsame Serpentinenstraße (Asphalt) und befinden uns plötzlich in einer ganz anderen Landschaft als heute Morgen und gestern Abend in den Canyons von Rio Cañada und Rio Pitarque.

Unsere Blicke reichen jetzt wieder 360° über die angrenzenden Berg- und Hügelketten, ehe wir noch einmal etwas an Höhe einbußen und nach Aliaga (1.128m) bergabrollen. Im kleinen Supermarkt Mi Alcampo kaufen wir Proviant und arbeiten uns anschließend zurück auf das ausgedehnte Hochplateau (1.300 – 1.600 m), das wir für den Rest des Tages nicht mehr verlassen werden.

Kurz nach Camarillas tauchen wir in die magische Gebirgslandschaft „Los Jadriales“ in der Sierra de El Pobo inmitten des Parque Cultural del Chopo Cabecero. Auf der Website https://parquechopocabecero.com finden sich die passenden Zeilen für die Beschreibung dieser großartigen Landschaft:

„Es handelt sich um etwa fünftausend Hektar raues, felsiges und sanft geformtes Terrain. Es ist mit kleinen Sträuchern und Gräsern bewachsen, die der Kälte, dem Wind, der Trockenheit und den Zähnen der Schafe widerstehen, die seit mehr als fünf Jahrhunderten diese Weiden nutzen. Es ist eine Landschaft, die Menschen begeistert, die Stille, Einsamkeit und Horizonte frei von Artefakten schätzen. Es ist eine Landschaft, die weit entfernt ist vom Postkartenmodell der Natur: Flüsse, Wälder und Reliefs … Eine Landschaft, die ihre Wurzeln in der Geschichte hat, im Mittelalter, als sich die Bergwirtschaft auf die Wollproduktion spezialisierte, als sich nach dem Vormarsch der Christen die Transhumanz der Herden in den Ländern Valencias konsolidierte, was die Grundlage für einen blühenden Handel bildete, der bis in die Toskana reichte. Eine Landschaft für Eingeweihte. Für starke und strenge Geister. Für diejenigen, die die Schwierigkeiten des Lebens in diesen trockenen und kalten Bergen verstehen … Aber diese rauen und schönen Landschaften sind auch der Lebensraum einer biologischen Gemeinschaft, die gut an die schwierigen Bedingungen der Umwelt angepasst ist und eine eigene Persönlichkeit hat.“
(https://parquechopocabecero.com/montanesa-primaveral-en-el-pobo/)

Knappe 4 Stunden sind wir mit einigen Pausen und Foto-/Videostopps in dieser faszinierenden Bergwelt unterwegs. Die Piste ist großteils recht steinig/holprig und macht mit Mountainbikes sicherlich mehr Spaß als mit vollbepackten Gravelbikes, aber der Abschnitt ist definitiv jede Mühe wert.

In El Pobo jubeln wir jedenfalls laut über die ersten Meter auf Asphalt und kaufen in der (zum Glück geöffneten) „Multiservicio“-Bar nochmals ein paar Wasserflaschen, um bis morgen Nachmittag genügend Reserven zu haben. Danach geht es bald wieder auf eine komplett einsame Schotterpiste am Fuße des 1.752 m hohen Cerro de Castelfrío in derSierra de El Pobo. Am Rande einer schönen Waldlichtung etwas abseits des Hauptweges richten wir unseren Zeltplatz ein und genießen den wunderbaren Sonnenuntergang auf über 1.600 m Höhe.

Etappe 5

Wir starten heute etwas zeitiger, da wir mittags gerne in Teruel wären, um ein wenig die Stadt zu erkunden und länger zu regenerieren. Allerdings zwingen uns das kräftige Morgenlicht und die grandiosen Ausblicke über die weite Ebene rund um Alfambra immer wieder zu Foto-Stopps. Die hügeligen Felder und Wiesen in allen Grüntönen bilden einen phantastischen Kontrast zum rot-weißen Gestein der Felsen und Badlands, die sie umgeben.

Unsere Strecke führt stets bergauf-bergab durch eine wilde, karge Landschaft, in der sich aber dennoch überraschend viele bunte Farbpolster in Form von Gräsern, Blumen und Sträuchern offenbaren. Der Belag unserer Pisten wechselt zwischen gut fahrbar und felsig-grobsteinig mit einigen kurzen Schiebe-Passagen auf Grund der Kombination von Steilheit mit losem Untergrund.

Nach etwa 2,5 Stunden und erst 12,5 km bemerken wir zu unserem Entsetzen, dass an Peters Bike die rechte vordere Tasche fehlt – offenbar haben sich unbemerkt die Schrauben des Topeak VersaCages gelockert, sodass sich unterwegs die Halterung inklusive Tasche verabschiedet hat. Durch die Lenkerrolle ist die Sicht nach unten zur Gabel verdeckt und durch das technische Gelände war auch überhaupt keine Ungleichheit in der Gewichtsverteilung spürbar. Hmmm, die Frage ist jetzt natürlich: wo ist das passiert? Hoffentlich nicht gleich zu Beginn der Etappe, denn die Aussicht, den ganzen mühsamen Weg doppelt (zurück) und dreifach (wieder hierher) zu fahren, lässt uns eher verzweifeln. Wir versuchen auf dem kleinen Display unserer Olympus Kamera den Zeitpunkt des Verlustes zu eruieren und entdecken tatsächlich ein Abfahrtsfoto von Peter, auf der die rechte Gabeltasche bereits fehlt. Das heißt, bis dahin (und hoffentlich nicht viel weiter) muss mindestens retour gefahren werden, um die Tasche, die hoffentlich nicht irgendwo seitlich den Hang hinuntergerollt ist, wieder zu finden. Es hilft nichts, alle Taschen (bis auf den leeren Tailfin AeroPack) werden von Peters Bike demontiert, um zumindest möglichst wenig unnötiges Gewicht mitzuschleppen. Nur Werkzeug, die Regenjacke, ein Müsli-Riegel, und eine volle Trinkflasche kommen mit. Für Peter heißt es jetzt im Eiltempo die Strecke retour zu fahren und ab der Passage vom Abfahrtsfoto mit erhöhter Aufmerksamkeit auf den Weg/die Wegesränder nach der Gabeltasche Ausschau zu halten. Nach gut 25 Minuten und etwa 6 km kommt die Erlösung: gut sichtbar am Wegesrand liegt das schwarze Stück. Großes Aufatmen, lauter Jubel und ein inniges Dankeschön an den Bikepacking-Gott! Schnell die Tasche im AeroPack verstaut, ein kurzer Anruf bei Hana, dass alles gut ist, und dann flott zurück.

Mit einer guten Stunde Verzögerung geht es dann für uns weiter zur Ermita de la Virgen de Cilleruelos – einer Kapelle mitten im Nirgendwo, mit Informationstafeln und einigen Tischbänken davor. Im Vorfeld hatten wir auch überlegt hier zu nächtigen, doch den Weg von El Pobo hierher hätten wir gestern nicht mehr geschafft, zumindest nicht vor Einbruch der Dunkelheit.

Die Wasserstelle ziert wieder einmal die bei uns mittlerweile höchst unbeliebte Tafel „AGUA NO CONECTADA A RED“ – überall in Aragón, wo wir dieses Wasser gekostet haben (ohne zu Schlucken) war sofort der kräftige Chlorgeschmack spürbar, was bedeutet, dass selbst durch das Filtern mit unserem Katadyn BeFree Wasserfilter, das Wasser für unseren Geschmack untrinkbar bleibt und zusätzlich alle Flaschen und Wassersäcke, die mit diesem Chlor-Wasser in Berührung kommen dauerhaft diesen ekelhaften Geschmack annehmen. Dass viele Einheimische das Wasser aus diesen Brunnen trinken, wie wir auf unserer Reise ein paarmal beobachten konnten, ist uns ein Rätsel.  

Gute 7 km geht es von der Kapelle dann noch auf unterschiedlichsten Gravel-Pisten (inkl. kurze Schiebe-Passage) weiter bis Corbalán, wo wir zu unserer Enttäuschung keine geöffnete Bar finden. Ein kräftiger Kaffee hätte jetzt unsere Stimmung bestimmt gehoben, die bereits durch leise Erschöpfung, dunkle Wolken und kräftigen Sturm eher gedämpft ist.

Aber es sind ja nur noch etwas über 20 km bis Teruel und dort warten auf uns ein Zimmer mit Dusche und die Aussicht auf eine nette Sightseeing-Tour durch das städtische Zentrum der Montañas Vacías (der Serranía Celtibérica).

Kurz vor Teruel stoßen wir auf die „offizielle“ Montañas Vacías-Bikepacking-Route, der wir die kommenden 7 Etappen großteils folgen werden. Auf dem Camino del Cid, der hier über eine ehemalige Eisenbahntrasse (Via Verde) führt, passieren wir die ersten rötlichen, canyonartigen Landschaftsstrukturen, die uns optisch sehr an die Highlights unserer Travesía de España 2021 erinnern (Bardenas Reales, Sierra de Armantes, Desierto de Gorafe/Badlands).

Kurz vor 16 Uhr checken wir im Hostal El Bugar ein, duschen und ziehen gleich weiter zu einer ausgedehnten Runde durch das belebte Zentrum mit seinen atmosphärischen Fußgängerzonen, Geschäften und Lokalen sowie architektonischen Kostbarkeiten – allen voran die im aragonesischen Mudéjar-Stil erbauten und zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Türme einiger Kirchen sowie der Kathedrale von Teruel.

Etappe 6

Heute starten wir bereits um 7:30 Uhr unsere – von der reinen Fahrzeit her – längste Etappe. Aber auch sonst hat bei strahlendem Sonnenschein Morgenstund rund um Teruel tatsächlich Gold im Mund. Erstes Highlight sind die laut musizierenden und tanzenden Jugendlichen, die am Paseo del Óvalo gegenüber der berühmten Escalinata (Treppe) ihren Schulabschluss bis in die frühen Morgenstunden feiern. Und danach sind es nur etwa 5 km bis zum ersten Mirador über die in der Morgensonne kräftig leuchtenden roten Canyons westlich der Stadt. Wir genießen das traumhafte Panorama an diesem Samstagmorgen zusammen mit einigen anderen Frühaufstehern. Zahlreiche Läufer- und RalderInnen sind bereits unterwegs, überhaupt treffen wir heute so viele (aktive) Menschen unterwegs wie an keinem anderen Tag unserer Reise.

Kontrastreich und malerisch geht es weiter. Immer wieder wechseln in der Landschaft rund um uns saftig grüne Getreidefelder mit aufgebrochener, roter Lehmerde. Kräftig leuchtende Blumen bilden bunte Farbtupfer und erfreuen das naturverliebte Auge zusätzlich.

Nach etwa 3 h jausnen wir bei der Laguna de Bezas. Mittlerweile sind einige Wolken am Himmel und trüben etwas die farbenfrohe Umgebung. Auf unserer Route nach Albarracín durchqueren wir die felsdurchsetzten Kiefernwälder der Pinares de Rodeno, welche offensichtlich das Mekka für alle Boulder-Sport-Begeisterte ist. Unzählige Vans parken neben den Straßen, vor den meisten sitzen oder stehen junge Leute mit dicken Boulder-Matten auf ihren Rücken. Kein Wunder, die spektakuläre Felslandschaft lässt selbst Finger jucken, die schon seit mehr als 15 Jahren in keinen Magnesiumbeutel mehr gegriffen haben.

In Albarracín angekommen kaufen wir ein paar Leckereien zum Beißen, bevor wir den steilen Anstieg durchs verwinkelte Zentrum starten. Es ist hier gar nicht so leicht unseren Track aus der Stadt hinaus in die Berge zu erwischen, da uns das GPS in den schmalen, von hohen Häusern flankierten Gassen nicht richtig orten kann. Wir haben aber Glück und bald schrauben wir uns die unmenschlich steilen Schotterkurven der Calle Subida a las torres berghoch zur Festung und der gewaltigen Stadtmauer aus dem 14. Jhdt.

Ab hier wird es wieder sehr einsam, nur noch selten treffen wir andere Radreisende. Nach den architektonischen Kostbarkeiten erfreuen wir uns wieder voll und ganz an Natur und Landschaft der wunderbaren Sierra de Albarracín. Die knapp 30 km bis Bronchales führen großteils über herrliche Gravelpisten, nur einige Abschnitte sind etwas ruppiger. Die meiste Zeit fahren wir durch ausgedehnte Kiefernwälder, wodurch wir wenigstens weniger fotografieren „müssen“.

Um kurz nach 16 Uhr erreichen wir Bronchales, eine an sich größere Ortschaft, wo wir nochmals all unsere Wassergefäße füllen wollen. Nur leider haben sämtliche Bars oder Geschäfte um diese Uhrzeit geschlossen, der ganze Ort wirkt wie ausgestorben. Der Dorf-Brunnen ist wieder einmal gechlort und so fragen wir junge Leute bei einem Haus, ob wir bei ihnen Wasserflaschen kaufen können. Sie möchten uns eine schenken, nur damit werden wir nicht weit kommen. Wir möchten gerne mindestens 6 Liter kaufen. Sie geben uns den Tipp es bei der gleichnamigen Wasserfabrik „Bronchales“ am Ortseingang zu versuchen. Wir läuten und haben Glück. Ein Mitarbeiter schenkt uns ein 6er Tray mit 1,5 l Flaschen – Geld nimmt er unter keinen Umständen an, also bedanken wir uns mit strahlenden Gesichtern und entsprechenden Gesten bei unserem edlen Spender. Immerhin werden wir fortan in jedem weiteren Supermarkt auf unserer Reise, ohne nachzudenken, zu den Wasserflaschen mit dem Etikett von Bronchales greifen.

Den 3 km Umweg über Orihuela del Tremedal lassen wir aus, nachdem wir schon 2.000 Höhenmeter in den Beinen haben, und fahren auf direktem Weg den ca. 250 hm Schlussanstieg zum Refugio de la Portera. Während unserer Etappen-Detail-Planung, bei der wir auch immer ganz besonderen Wert auf möglichst optimale Nächtigungsplätze legen, hatten wir vor allem 3 Refugios auf Grund ihrer attraktiven Lage ganz weit oben auf unserer Wunschliste, unter anderem das Refugio de la Portera auf 1.750 m Höhe.

Die Zufahrt über die waldige Südseite ist etwas abenteuerlicher als über die Nordwestseite und bedeutet für uns auf Grund der überraschend aufgeweichten, mit Pfützen übersäten Piste auch ein paar Meter zu Fuß unmittelbar vor dem Refugio. Dort werden wir dafür mit einer wunderschönen Waldlichtung belohnt, inklusive einer herrlichen, ebenen Wiesenfläche und einem Aussichtsturm, der ein großartiges Panorama über die felsdurchsetzen Waldhügelketten offenbart.

Vor dem Refugio lehnt bereits ein Bike mit Taschen, wir sagen Hallo zu Andy aus Portugal, mit dem wir sehr nette Gespräche beim Essen führen, und stellen – auch wenn es in der Höhe um die Jahreszeit morgens nicht viel mehr als 0° hat – unser Zelt auf der wunderbaren Wiesenfläche auf, da wir in der Nacht gerne unsere Ruhe haben.

Unsere Route

Etappen auf Strava

Etappe #01 5:19:02 56,87 km 1.680 m
Etappe #02 7:27:56 93,07 km 2.131 m
Etappe #03 5:38:25 85,18 km 1.552 m
Etappe #04 5:46:17 65,52 km 1.738 m
Etappe #05 4:45:45 56,28 km 928 m
Etappe #06 7:38:36 89,31 km 2.241 m
Etappe #07 4:12:31 66,54 km 800 m
Etappe #08 5:33:42 80,42 km 1.507 m
Etappe #09 6:46:16 90,19 km 1.666 m
Etappe #10 4:07:43 70,52 km 1.133 m
Etappe #11 5:00:03 55,56 km 1.544 m
Etappe #12 5:34:48 74,09 km 1.506 m
Etappe #13 4:22:54 62,79 km 1.173 m
Etappe #14 4:23:19 77,88 km 750 m
Etappe #15 5:05:40 83,44 km 439 m

GESAMT: 1.107km / 20.788 hm