Radreise Israel

Radreise Israel

Schon lange Zeit stand Israel weit oben auf unserer Wunschliste möglicher Radreise-Destinationen. Dabei waren sowohl Kultur und Geschichte als auch Landschaft und Klima sowie die Aussicht auf paradiesische Zeltplätze für uns primäre Anziehungspunkte, um Israel im Frühjahr mit Fahrrad und Zelt zu bereisen. Dazu kam unser aufrechtes Interesse am Leben und an den Menschen eines Landes mit einer jahrtausendealten, unvergleichbar bewegten Geschichte – ein Land, das nahezu weltweit durch Medienberichterstattung und Politik beinahe ausschließlich in Zusammenhang negativer Schlagzeilen rund um den Nahostkonflikt thematisiert wird.

Dass ein fröhliches, lockeres und friedliches Nebeneinander (Miteinander wäre übertrieben) in vielen Teilen des Landes möglich ist, wird einem vor Ort sehr schnell bewusst. In den ca. 2 Wochen, die wir April/Mai unterwegs waren, konnten wir Israel als extrem kontrastreiches, spannendes Land und die Israelis als ungemein lebendig, hilfsbereit und selbstbewusst erleben. Wir möchten hier nicht näher auf die Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern, auf militärische Aktivitäten oder die Politik des Landes eingehen – die Gedanken und Überlegungen dazu wären buchfüllend. Auch haben wir trotz der überschaubaren Größe des Landes nur einen Teil bereist, sodass wir es uns nicht anmaßen würden, pauschale Aussagen über Land und Leute zu treffen. Dennoch haben wir jetzt im Nachhinein, sobald in den Medien wieder über Israel/Palästina die Rede ist, ein wesentlich realeres und reflektierteres Bild vor Augen als jenes, das uns in der Heimat durch Zeitungen und TV transportiert wird. Wie schon öfters erfahren, ist das der bleibende Wert, der individuelle Reisen dieser Art so faszinierend und lehrreich macht.
In Folge möchten wir mit ein paar Gedanken, Notizen und Fotos alle Radreise-Begeisterten motivieren, selbst das „Heilige Land“ zu erkunden.

Radreise Israel

Der Fokus unserer Radreise durch Israel liegt trotz der kulturell-historischen Schätze wieder einmal auf den landschaftlichen Reizen, auch wenn wir „natürlich“ zwei Nächte in Jerusalem verbringen, um unter anderem über die Via Dolorosa zu schlendern, einmal die Klagemauer zu berühren oder um vom Ölberg (eigentlich Olivenberg) und der mächtigen Stadtmauer aus unsere neugierigen Blicke über die Dächer, Türme, Kuppeln und Minarette der Altstadt schweifen zu lassen. Ansonsten konzentrieren wir unsere Tage und Nächte auf das ausgedehnte Gebiet der Negev-Wüste, das etwa 60% der Fläche von Israel einnimmt.

Hinter Jerusalem geht es für uns knapp 1.200 Höhenmeter über die Hauptroute (Str. Nr. 1) bergab ins Westjordanland Richtung Totes Meer, das mit etwa 420m unter dem Meeresspiegel den tiefsten trockenen Punkt der Erde bildet. Für den einsamen, herrlich gelegenen Campsite „Nachal Darga“ strampeln wir dann wieder 400 Höhenmeter bergauf Richtung Metsoke Dragot, um am nächsten Morgen die Chancen für einen prächtigen Sonnenaufgang über dem Toten Meer zu wahren.

Gewitterstimmung in der Judäischen Wüste bei Metsoke Dragot
Gewitterstimmung in der Judäischen Wüste bei Metsoke Dragot

Dichte Wolken und bald darauf heftige Regenschauer an jenem Abend führen jedoch in Folge zu einer gröberen Planänderung unserer weiteren Reise. Eine ungewöhnlich starke Flut überschwemmt an diesem Abend nicht nur zahlreiche Wadis und flache Gebiete am Fuße der mächtigen Felswände der Judäischen Wüste, sondern reißt auch Straßen sowie leider auch einige Menschen gnadenlos mit sich. Eine Weiterfahrt auf der einzigen Straße südwärts nach En Bokek (Str. Nr. 90) ist am nächsten Morgen laut Polizeiauskunft vor Ort für voraussichtlich zwei Tage unmöglich. Auf ein Abwarten im reisebustouristischen und für uns so gar nicht attraktiven En Gedi oder gar ein Zurück nach Jerusalem haben wir so gar keine Lust – also planen wir spontan eine Offroad-Umfahrung der Straßensperre, d.h. nochmals die 400 Höhenmeter bergauf zum Campsite „Nachal Darga“ und am nächsten Tag zeitig in der Früh weiter entlang des imposanten Wadi Dragot – anfangs über ruppige, von der Flut gezeichnete Schotterpisten und nach ca. 3 Stunden weiter auf der schmal asphaltierten Straße Nr. 3698 durch das südöstliche Westjordanland (Westbank). Nordöstlich von Be’er Scheva möchten wir so über die 31er wieder zurück ans Tote Meer gelangen, um an dessen einzig öffentlich zugänglichem Strand mit Duschmöglichkeit (in der Hotelburg En Bokek) auch zumindest einmal in den Genuss des im Wasser nicht Untergehen-Könnens zu gelangen.

Der Umweg über das Westjordanland erweist sich unmittelbar nach dem Verlassen der unbesiedelten Bergregion als durchaus abenteuerliche Erfahrung. Die Konfrontation mit von Stacheldraht-Zäunen hermetisch abgeriegelten jüdischen Siedlungen auf der einen, und palästinensischen Autonomiegebieten mit strikten Zutrittsverboten für israelische Staatsbürger auf der anderen Seite, prägt für viele Stunden unsere Weiterreise. Während unserer Mittagspause parkt ein mit Pistole bewaffneter Israeli seinen Wagen am Straßenrand der Str. Nr. 3670 und empfiehlt uns in sehr freundlichen Worten, die aus seiner Sicht „einzig sichere Route durch die Westbank“ über Efrata und in Folge ausschließlich über die Str. Nr. 60 zu wählen. Er hätte durchaus Sicherheitsbedenken, sollten wir abseits der mit zahlreichen Militärwachposten versehenen Hauptroute die mit roten Warnschildern versehenen Palästinensergebiete passieren. Für Israelis seien diese Gebiete jedenfalls tabu, wie es mit Europäern aussieht, wisse er nicht. Wir studieren noch gemeinsam unsere Straßenkarte und folgen danach dankend seinem Ratschlag, der für uns nur ein paar Kilometer mehr bedeutet. Bald darauf strampeln wir im Eiltempo auf der relativ stark frequentierten und sehr hügeligen Str. Nr. 60 vorbei an Hebron und südwärts Richtung israelischem Staatsgebiet.

Als wir nach 100km, 2.000 Höhenmetern und knapp 10h Fahrzeit schon ziemlich erschöpft nach einer kurzen Befragung den Checkpoint am Rande des Westjordanlandes passieren und damit wieder in Israel sind, treffen wir bei der Zeltplatzsuche in einem idyllischen Waldstück nördlich von Meitar auf Eyal, der gerade mit einem Freund am Mountainbike auf seiner Hausrunde unterwegs ist. Wir erhalten eine spontane Einladung zum Übernachten und gemeinsamen Schabbat-Feiern mit seiner Familie – was folgt, ist ein unvergesslicher Abend mit einem kurzen Gebet, sensationellem Essen und anschließend regen Gesprächen über Radsport, Kochen und natürlich Politik, die uns das Leben in Israel wieder eine Spur begreiflicher machen. Mit Fragen der Kinder wie z.B. „Welche Feinde hat Österreich?“ oder „An wie viele Staaten grenzt Österreich?“ wird man in anderen Ländern wahrscheinlich kaum konfrontiert. Auf unsere Frage nach der Perspektive auf Frieden bekommen wir zur Antwort: „Die Menschen sind im Nahostkonflikt nicht das Problem, weder Juden noch Araber – es ist die Politik, die auf beiden Seiten immer wieder Öl ins Feuer gießt.“


mit unterwegs Eyal Richtung Yatir Forest

Am nächsten Tag spüren wir die kurze Nacht und die Strapazen vom Vortag. Dunkle Wolken trüben zusätzlich unsere Motivation zum Pedalieren. Wir begleiten zeitig in der Früh Eyal die ersten Kilometer auf seiner MTB-Tour durch den Meitar und Yatir Forest, kommen mit unseren Rädern tempomäßig aber nicht ansatzweise mit und verabschieden uns daher nach etwa 20 Minuten sehr herzlich. Die weitere Strecke über die Str. 80 und 31 zurück zum Toten Meer spulen wir relativ lustlos ab und suchen uns schon am frühen Nachmittag einen herrlichen Zeltplatz auf einem weit abseits der Str. Nr. 31 liegenden Hügel mit phantastischem Blick auf den südlichen Zipfel des Toten Meers. Alle Wolken haben sich mittlerweile verzogen und so erleben wir nur 30 Minuten nach dem prächtigen Sonnenuntergang, den im Hintergrund auch ein paar 4×4-KFZ bestaunen, einen ebenso imposanten Aufstieg des Vollmonds über der gegenüberliegenden Bergkette Jordaniens.


Sonnenuntergang in der Judäischen Wüste

Gut regeneriert und wieder voll motiviert rollen wir am nächsten Tag hinunter nach En Bokek, kaufen Proviant für die kommenden, versorgungstechnisch voraussichtlich schwierigen Tage, und lassen uns dann endlich auch ein paar Minuten im Toten Meer am Rücken liegend dahintreiben.


einmailges Körpergefühl im Toten Meer

Nach dieser Erfrischung wartet auf uns etwas überraschend ein landschaftliches Radreise-Highlight oberster Kategorie: die Fahrt durch das Wadi Perazim, vorbei am Campsite „Nachal Lot“, hinter dem schon erste imposante, an Salzsäulen erinnernde Gesteinsformationen auf uns warten – in der Bibel erstarrt Lots Frau zu einer Salzsäule, nachdem sie sich bei der Flucht aus der Stadt Sodom unerlaubter Weise umdreht. Anfangs noch relativ breit und 4×4-tauglich wird das Flussbett von Kilometer zu Kilometer immer schmäler, stets umgeben von strahlend weißen, hohen Sand-/Steinwänden. Unser Thermometer zeigt erstmals deutlich über 40° und die Hitze im sich endlos dahinschlängelnden Flussbett schlaucht ordentlich. Immer wieder zwingen uns grob steinige oder tiefsandige Passagen zum Absteigen und Schieben. Dennoch sind Atmosphäre und Perspektiven im völlig einsamen Wadi Perazim einfach nur großartig. Als wir nach ca. 7 km das Ende des Wadis erreichen, rasten wir etwas ausgelaugt im Schatten einer Hinweistafel, ehe wir den nahegelegenen Campsite „Mischor Amaz“ ansteuern, auf dem wir wieder einsam, wenn auch später weniger ruhig, unser Zelt aufschlagen. Als es nämlich dunkel wird und wir abermals den noch immer kugelrunden Mond aufsteigen sehen, dröhnen erst ein paar Militärhubschrauber im Tiefflug, danach zwei Transport-Flugzeuge und schließlich auch noch einige Kampfjets geschätzt 200 Meter über unseren Köpfen hinweg. Etwa 20 Minuten dauert das Ganze, ehe es wieder vollkommen ruhig wird und uns die schier endlose Wüstenlandschaft mit ihrer vollkommen Stille neuerlich auf magische Weise in ihren Bann zieht.


auf schmalem Weg durch das Wadi Perazim – Judäische Wüste

Am nächsten Morgen geht es weiter durch die Ausläufer der Judäischen Wüste, zuerst offroad, dann über die Str. Nr. 90 entlang der kilometerlangen Industriezone (Dead Sea Factories) am südwestlichen Ufer des Toten Meers. Ordentlich schwitzend gewinnen wir auf der Str. Nr. 25 wieder langsam an Höhe und zweigen auf ca. Seehöhe 50m über dem Meeresspiegel links in eine Offroad-Piste zum „Makhtesh Katan“ – dem kleinen Makhtesh Krater, an dem auf der Campsite-Website http://israelabenteurer.de/tipps/campingplaetze-israel ein Zeltplatz „für alle KFZ zugänglich“ verzeichnet ist. Dass dem momentan nicht so sein kann, sehen wir schon nach wenigen Kilometern: wieder wurde die Straße von der vergangenen Wüstenflut passagenweise weggespült. Die etwa 10 Kilometer zum kleinen Makhtesh Krater sind wunderbar einsam und landschaftlich beeindruckend – hinter jeder Kurve und Kuppe tauchen neue wilde Felsformationen in unterschiedlichen Farben auf. Unser eigentlicher Plan, offroad weiter zum großen Makhtesh Krater zu fahren, geht leider nicht auf und abermals müssen wir großräumig umplanen.


Dead Sea Factories

Ein sehr freundlicher Park-Ranger, der uns mit seinem Jeep aufgespürt hat, rät uns von dem Weg ab – dieser sei von der Flut schwer gezeichnet und außerdem sei für heute Nachmittag/Abend sowie für morgen schon wieder eine Flut-Warnung (Stufe 2 von 3) ausgegeben worden. Für uns zwar schwer vorstellbar, da der Himmel wolkenlos ist und unsere Wetterberichte für zumindest heute keinen Regen prognostiziert haben – dennoch folgen wir natürlich dem Rat des Park-Rangers, auch wenn es heute tatsächlich trocken und heiß bleiben sollte. Also geht es die 10 Kilometer Schotterpiste wieder retour zur Str. Nr. 25 und in Folge sehr mühsam (da brütend heiß, hügelig und nebst extrem viel Schwerverkehr) ca. 25 Kilometer weiter nach Dimona, wo wir uns über booking.com für eine Nacht eine Unterkunft organisieren, um etwas zu regenerieren und in Ruhe unsere weitere Reiseroute zu planen.

Ein schon vorab anvisiertes Highlight möchten wir auf jeden Fall noch schaffen – die erste fertiggestellte Passage des geplanten 1.100 km langen „Israel Bike Trails“ (http://www.israel-trail.com/israel-bike-trail/) von Mitzpe Ramon weit abseits asphaltierter Straßen ca. 70 Kilometer durch die Negev-Wüste ostwärts Richtung Str. Nr. 90. Also nehmen wir die abermals nicht besonders attraktiven Kilometer entlang der Str. Nr. 40 auf uns und radeln bei teils heftigen Sturmböen und etwas Nieselregen am nächsten Tag weiter in das touristisch geprägte Mitzpe Ramon. Keine Frage, die Aussicht über den gewaltigen Ramon-Krater (ca. 40km Länge) ist bombastisch – und auch für alle Auto- und Busfahrer erreichbar. Selbst die durch die Straßen ziehenden Steinböcke sind Menschen offenbar schon mehr als gewohnt und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, als wir uns mittwochs zeitig in der Früh zum Israel Bike Trail aufmachen.


Steinbock in Mitzpe Ramon

Die ersten Kilometer führen bereits großteils über feine Singletrails Richtung Osten am Rande des mächtigen Ramon-Kraters, an den man ein paarmal auch direkt herankommt. Ruppiger Untergrund und zahlreiche Fotostopps drücken ordentlich unseren Schnitt und erst nach ca. drei Stunden geht es für uns erstmals länger bergab, abermals über einen herrlich gebauten Singletrail – zum Be’erot Campground, der uns zum Glück eine schattenspendende Überdachung bietet. Richtig spannend wird es ab hier, denn die nächsten Kilometer geht es weit abseits der Zivilisation auf schmalen Pfaden durch wilde Wadis, deren Wegbeschaffenheit wir nicht kennen.


Israel Bike Trail bei Mitzpe Ramon

Gleich relativ zu Beginn müssen wir für knapp 3 Kilometer unsere schwer bepackten Räder mühsam durch knöcheltiefen Sand schieben. Wir zweifeln etwas ob der Sinnhaftigkeit unseres Vorhabens, sind jedoch noch optimistisch, dass das nicht ewig so weiter gehen kann, nachdem hier ja an sich der offizielle MTB-Track verläuft. Zu Beginn des „Wadi Nekarot“ blockieren dann vorerst meterhohe Felsbrocken ein Weiterkommen. Wir hiefen mit all unseren Kräften unsere Bikes um und über die Überreste der großen Wüsten-Flut, immer noch optimistisch, dass irgendwann auch wieder ein paar fahrbare Meter kommen. Irgendwann kommen wir zu einem Punkt, an dem uns ein Umkehren ohnehin nicht mehr leichter erscheint, als ein Weitermarschieren. Unsere Gedanken drehen sich vor allem um die stets neu kalkulierte weitere Reisedauer bis zum nächsten sicheren Campsite (außerhalb des Wadi Nekarot) in Kombination mit unseren Wasservorräten: knapp 20 Liter für eineinhalb Tage bzw. notfalls auch länger – unvorstellbar, wie schnell sich heute die Flaschen leeren. Unser Thermometer zeigt mittlerweile 45°, die Sonne brennt brutal auf uns herunter, Schatten gibt es keinen und auch Wind weht heute so gut wie gar keiner. An das permanente Durstgefühl und die brennend-trockenen Kehlen müssen wir uns gewöhnen, obwohl wir regelmäßig trinken. Allerdings befriedigt das mehr als lauwarme Wasser so überhaupt nicht unsere mitten in der Wüste natürlich völlig absurde Sehnsucht nach einem erfrischenden Kaltgetränk. Als wir die ersten fahrbaren Meter des markierten MTB-Trails etwas oberhalb des breiten Wadis erblicken, jubeln wir laut. Auf einmal rollen wir wieder über einen großteils perfekt fahrbaren Singletrail. Allerdings wechselt dieser alle paar 100 Meter von einem zum anderen Wadi-Ufer, was zwischendurch immer wieder bedeutet, die Bikes für etwa 100 Meter erneut durch tiefen Sand und grobes Geröll zu schieben oder, wenn sich der Vorderreifen tief eingräbt, zu ziehen. Absolut entschädigend für die Strapazen sind die großartigen Ausblicke, die sich hinter jeder Kurve erneut auftun.

Die letzten Kilometer vor unserem Campsite „Har Masza“ ziehen sich dann aber nochmals gewaltig; leicht ansteigend und immer wieder durch tiefere Schotter-Sand-Passagen geht es für ca. 4 Kilometer noch einmal sehr kräftezehrend dahin – kaum zu glauben, wie sehr sich so wenige Kilometer ziehen können. Kurz vor der Dämmerung erreichen wir überglücklich unseren Zeltplatz – völlig einsam inmitten einer grandiosen Felskulisse, duschen noch sparsamer als sonst (eine 700ml-Trinkflasche reicht für uns beide zusammen) und kochen bald darauf ein schnelles Abendessen mit Couscous, Kichererbsen, Rotkraut, Zwiebel, Tomatenmark und Knoblauch. Danach beobachten wir noch ein wenig die Sterne und fallen dann bald müde auf unsere Matratzen in der Hoffnung auf eine ruhige Nacht und ein Aufwachen ohne Skorpione oder Schlangen.


Campsite „Har Masza“ – Negev-Wüste

Unsere nächste Etappe startet landschaftlich ähnlich spektakulär. Obwohl nur noch ca. 14km nach Zofar – dem nächsten Dorf an der Str. Nr. 90 – brauchen wir neuerlich knapp 3 Stunden auf Grund zahlreicher Foto-Stopps und Schiebepassagen durch Geröll und Sand. Ein kurzer Anstieg (ca. 100 Höhenmeter) führt uns zu einer aussichtsreichen Anhöhe, auf der eine alte Ruine steht. Wir pausieren und genießen den grandiosen 360°-Panoramablick über diesen traumhaft schönen Teil der Negev-Wüste. Danach rollen wir über die für uns letzten Passagen des Israel Bike Trails und fallen schließlich in Zofar im kleinen, aber gut sortierten Lebensmittelladen ein. Dort kaufen wir mehrere erfrischende Kaltgetränke, Sonnencreme und etwas Proviant und lassen uns anschließend genüsslich auf einer schattigen Sitzbank nieder – überglücklich, dass im doch oft überraschend unwegsamen Gelände alles gut ging und wir ohne technische Defekte oder körperliche Probleme zurück auf rüttelfreiem Straßenbelag waren. Witziger Weise haben wir dann einen Kilometer nach unserer Rast unseren allerersten Platten mit unseren Velotraum-Reiserädern – auf Asphalt. Nach etwa 20.000km hat es ein dünner, spitzer Splitter durch den mittlerweile schon stark abgefahrenen Schwalbe Marathon Mondial geschafft – immerhin bei einer schattenspendenden Bushaltestelle und an Hanas Vorderrad, sodass der Defekt in nur wenigen Minuten repariert ist.


unterwegs am Israel Bike Trail zwischen Mitzpe Ramon und Zofar

Danach holen wir nach, was uns vor ein paar Tagen verwehrt blieb: die Fahrt durch den großen Makhtesh Krater – über die Str. Nr. 227 hinauf zum Scorpions’ (Aqrabbim) Ascent, einer in Israel unter Radfahrern offenbar berüchtigten Steigung über ca. 400 Höhenmeter – für uns durch die abermals immense Hitze durchaus fordernd, allerdings im Vergleich zum Vortag nahezu ein Kinderspiel. Die auf Grund der Wüstenflut stark gezeichnete und für KFZ an sich gesperrte Straße Nr. 227 haben wir nahezu für uns allein. Ein paar wenige Autos fahren dennoch an uns vorbei, und wir werden mehrmals gefragt, ob alles OK sei oder ob wir Wasser bräuchten – gestern hätten wir mit Sicherheit dankend angenommen, heute ist wieder alles bestens und unsere Taschen gut mit Wasservorräten gefüllt.

Am späteren Nachmittag erreichen wir den Campsite „Nachal Akravim“ an der Südseite des großen Makhtesh Kraters, etwa 500m abseits der kaum frequentierten Straße. Die Nacht wird diesmal ziemlich unruhig, da uns im immer noch sehr hellen Mondlicht ein herumstreunender, frecher Fuchs wachhält – aber nicht nur uns, sondern auch eine junge Französin, die (für uns völlig unvorstellbar: ohne Zelt!) zu Fuß von Eilat nach Jerusalem unterwegs ist und ein paar Meter neben uns ihr Nachtlager aufgeschlagen hat. Am nächsten Morgen helfen wir ihr mit einer 1,5l Wasserflasche und etwas Gaffa-Tape aus, nachdem der Fuchs in der Nacht ihren Trinkrucksack geschnappt und ein Loch hineingebissen hatte.


Sonnenaufgang am Campsite „Nachal Akravim“

Die Fahrt durch den großen Makhtesh Krater fesselt uns bei weitem nicht mehr so wie die Offroad-Passagen der letzten Tage. Wir spüren, dass die Highlights unserer Reise vorüber sind. Dazu kommt, dass wir die Fülle der extrem kontrastreichen Eindrücke der letzten Tage schön langsam verarbeiten müssen und, dass wir uns durch Hitze und Anstrengung mittlerweile durchaus schon etwas ausgelaugt fühlen. Also fahren wir auf nahezu direktem Weg über Be’er Scheva, wo wir in einem günstigen Quartier übernachten, zurück nach Tel Aviv, auch um die letzten 100 Kilometer zur in Israel mit Abstand angenehmsten Radreiszeit abzustrampeln: am nahezu verkehrsfreien Samstag Morgen bzw. Vormittag. So beziehen wir bereits um 14:00 unsere Unterkunft in Tel Aviv und erleben anschließend sogar den Zieleinlauf der 2. Etappe des Giro d’Italia, der 2018 erstmals in Israel Station macht und für großes Interesse und Aufregung nicht nur bei offensichtlich radsportbegeisterten Israelis sorgt.


Fahrt durch den großen Makhtesh Krater

Rückblickend war unsere Israel-Radreise wieder einmal eine extrem lohnende und gerade auf Grund der spontanen Routenänderung besonders spannende Erfahrung – sowohl landschaftlich, als auch kulturell, als auch zwischenmenschlich. Das Wetter hat uns mit einigen Wolken- und Regentagen ordentlich überrascht. Aber genau dann, wenn es besonders wichtig war – in den so phantastischen, abgelegenen Wadis – schien die Sonne ungetrübt vom strahlend blauen Himmel. Und auch rechtzeitig zum Vollmond war der Himmel zum Glück wolkenlos klar.

Für all jene, die Ähnliches planen, abschließend ein paar Tipps:

  • Die israelische Fluglinie El Al bietet relativ günstige Direktflüge und transportiert Sportgepäck (also auch Bike Bags) bis 30kg kostenfrei mit. Die ungewöhnlichen und teils absurd klingenden Sicherheitsbefragungen völlig entspannt sehen und ohne Zynismus ehrlich beantworten. Für den Check-In besser 3-4 Stunden einplanen, vor allem in Tel Aviv beim Heimflug. Aber auch in Wien öffnete der Check-In inkl. Sicherheitsbefragung schon dreieinhalb Stunden vor dem Abflug; vor allem technisches Equipment wird genau überprüft (Laptop, Akkus, Ladegeräte, etc.).
  • Die Website http://israelabenteurer.de/tipps/campingplaetze-israel informiert detailliert (wenn auch nicht immer ganz aktuell) über die offiziellen Campsites in Israel – wichtig für die ausgedehnten Naturschutzgebiete (komplette Negev-Wüste) – außerhalb der Naturschutzgebiete ist wild Zelten kein Problem. Die meisten Campsites haben gar nichts mit einem Campingplatz zu tun, sondern sind einfach nur eine ebene, oft mit Steinen begrenzte Fläche ohne jegliche Infrastruktur – also quasi ein offizieller „wilder“ Zeltplatz. Wir hatten die meisten Plätze für uns komplett alleine. Auf den mit normalen KFZ erreichbaren Campsites erblickten wir an Wochenenden (Do Abend bis Samstag Früh) natürlich auch einige Auto-Camper.
  • Die Israel-Karte von https://openmtbmap.org hat die meisten Radwege, MTB-Strecken und Campsites, aber auch Toiletten und einige Wasserstellen verzeichnet.
  • Bei Wadi-Durchquerungen unbedingt verlässliche Wetterinformationen einholen und diese ausschließlich an regenfreien Tagen unternehmen – selbst wenn es Kilometer entfernt stärker regnet, kann ein Aufenthalt blitzschnell zum sichern Tod führen. Als wir vor Ort waren, hat die Flut nicht unweit zehn Jugendliche in den Tod gerissen.
  • Es klingt abgedroschen: aber an heißen Tagen in der Wüste unbedingt genügend Wasser mitführen. Die Tafeln entlang des Israel Bike Trails empfehlen mind. 5 Liter pro Person pro Tag. Das deckt sich in etwa mit unserem Verbrauch (exkl. Wasser zum Kochen und Waschen).
  • Wasser kann man in Israel aus den Leitungen grundsätzlich bedenkenlos trinken. Es gibt auch zahlreiche öffentliche Wasserstellen, bei Toiletten oder am Israel National Trail oder an einigen Campsites. Unsere Erfahrung war, dass das Wasser von diesen öffentlichen Wasserstellen oft sehr chlorig schmeckt – v.a., wenn es schon mehrere Stunden in Trinkflaschen oder Wassersäcken mittransportiert wird. Wir haben das Wasser dann meistens nur zum Kochen (Kaffee, Tee, Essen), Duschen und Abwaschen verwendet und unser Trinkwasser für unterwegs in Supermärkten gekauft (6 x 1,5l >> Kosten: ca. ILS 10,- = ca. EUR 2,30).
  • Beim Zelten in der Wüste jeden Morgen einen Blick rund ums Zelt und vor allem in die Schuhe werfen. Es gibt viele Schlangen und Skorpione – bei letzteren die weniger gefährlichen Schwarzen sowie die hochgiftigen Gelben – wenn ein gelber Skorpion zusticht, hat man laut Info, die wir unterwegs gleich zweimal erhielten, ca. 40 Minuten Zeit (ruhiger Puls vorausgesetzt ?) … dann kann man nur auf Handyempfang hoffen und schnell die Nr. 100 wählen – den lokalen Polizeinotruf, der einen schnell lokalisiert (wenn GPS aktiviert) und die Rettungsmannschaft im Helikopter am schnellsten zu einem bringt. Ein Soldat riet uns in diesem Fall das Tier unbedingt zu fangen bzw. zu töten, da nur so die Rettungsmannschaft das richtige Gegengift ohne Fragestellungen und ggfs. Bildersuche schnellstmöglich verabreichen kann. Im Ernstfall kann jede Sekunde lebensrettend sein.
  • Die Internetverbindung war außerhalb von Städten/Ortschaften überraschend oft schwierig bzw. mühsam (oft gar kein und oft nur sehr schlechter Empfang mit zahlreichen Aussetzern). Das kann aber auch an unserer lokalen SIM-Karte (HOT Mobile) gelegen haben, die wir in Tel Aviv samstags mangels offener Shops an einem Straßen-Kiosk kauften. Hier haben wir vorab vielleicht zu wenig recherchiert. Möglich, dass andere Anbieter einen besseren Empfang bieten.
  • Radfahren entlang der Hauptstraßen kann extrem (schwer)verkehrsintensiv sein. Zwar haben alle großen Straßen meistens eine breite „shoulder“, auf der Radfahrer genügend Platz haben, aber die entspannteste Zeit zum Fahrradfahren (v.a. rund um die großen Städte) ist definitiv von Freitag Nachmittag/Abend bis Samstag Nachmittag.
  • Für Selbstversorger: am Schabbat rechtzeitig um Proviant kümmern! Freitag Nachmittag bis Sonntag Früh haben die meisten Shops geschlossen (an Tankstellen bekommt man natürlich immer Wasser und etwas zum Beißen – allerdings bei Wasser etwa 6x so teuer wie in größeren Supermärkten).

Unsere Route:

938km | 12.097hm | ca. 69h reine Fahrzeit
Die Höhenmeterangaben bei den nachfolgenden GPS-Files sind zum Teil nicht korrekt, da bikemap.net nicht unter Null Meter Seehöhe weitermisst und das Tote Meer ca. minus 400 Seehöhe hat.
Und die Nummerierung auf bikemap.net ist ohne den Ruhetag in Jerusalem – also ab Tag 4 >> Track 03 >> um eine Nummer hinten 😉

  • Gesamt-Track (grob/Wegpunkte reduziert)
  • GPS Tag 1 (60km/471hm) – Tel Aviv – Israel National Trail
  • GPS Tag 2 (57km/1510hm) – Jerusalem
  • Tag 3 – Jerusalem
  • GPS Tag 4 (76km/788hm) – Totes Meer
  • GPS Tag 5 – (61km/1099hm) – „tour-re­tour“(Straßensperre)
  • GPS Tag 6 (109km/2063hm) – Westbank
  • GPS Tag 7 (67km/900hm) – Judäische Wüste
  • GPS Tag 8 (38km/338hm) – Totes Meer und Wadi Perazim
  • GPS Tag 9 (74km/1533hm) – kleiner Makhtesh Krater
  • GPS Tag 10 (91km/976hm) – Mitzpe Ramon
  • GPS Tag 11 (63km/506hm) – Israel Bike Trail I
  • GPS Tag 12 (73km/847hm) – Israel Bike Trail II + Scorpions Ascent
  • GPS Tag 13 (65km/631hm) – Be’er Scheva
  • GPS Tag 14 (104km/435hm) – Tel Aviv

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