Andalusien:
Sierra de Segura, Sierra de Cazorla, Desierto de Gorafe (Badlands), Granada

Andalusien:<br>Sierra de Segura, Sierra de Cazorla, Desierto de Gorafe (Badlands), Granada

Die kommenden Etappen wurden von uns bereits im Vorfeld als die landschaftlichen Highlights unserer Reise auserkoren. Umso gespannter sind wir auf unsere Fahrt Richtung Granada, auf Strecke und Wegbeschaffenheit, auf Wetter und Natur, auf Refugios und Zeltplätze, auf Panoramen und Erlebnisse, …

15. Etappe – Sierra de Segura

Wir starten die 15. Etappe erst nach dem Mittagessen, nachdem uns nur etwa 50 km und 1.100 Höhenmeter hinauf zum „Refugio Campo del Espino“ erwarten. Von Segura de la Sierra lässt uns eine malerische, schmale Straße gleich zu Beginn kontinuierlich an Höhe gewinnen – die Ausblicke ringsum sind phantastisch. Ein (wie alle Stürze) unnötiger Sturz Hanas (Auffahrer, als wir uns beide bergab offenbar zeitgleich umdrehen und Peter vorne etwas herunterbremst) bleibt zum Glück harmlos, nur ein paar Schürfwunden, die mit Erste-Hilfe-Utensilien schnell verarztet werden. Dennoch fahren wir beide etwas benebelt weiter, weil uns wieder einmal bewusst wird, wie abrupt eine Reise zu Ende sein könnte, wenn es blöd hergeht.

Kurz nach Pontón Alto (1.370 m) ist für die nächsten 60 Kilometer Schluss mit Asphalt. Wir befinden uns bereits in der Sierra de Segura, die Teil des größten Naturparks in Andalusien ist, dem ca. 2.140 km² großen Naturpark „Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas“. Ab hier wird es so richtig einsam, was die Mitmenschen, und wild, was die Tierwelt betrifft.

Die Nacht verbringen wir im vorab recherchierten „Refugio Campo del Espino“ auf 1.700 m Höhe. Wir haben wieder das Glück, weit und breit die einzigen Reisenden zu sein, und können uns diesmal im gemütlichen Innenraum neben einer großen Holzliege und einem bequemen Tisch sogar über einen eigenen Brunnen zum Wasser pumpen freuen.

Der einzige Mensch, den wir heute und morgen hier oben treffen, ist ein Schafhirte, der zu uns herüberkommt, um ein wenig zu tratschen. Auch wenn die Verständigung schwierig ist, da er einen so eigenwilligen Dialekt spricht, dass wir mit unseren ohnehin sehr beschränkten Spanischkenntnissen so gut wie gar nichts verstehen, von dem, was der Hirte uns munter erzählt, so erfahren wir immerhin, dass er 600 Schafe hütet und absolut glücklich ist, mit seinen Tieren hier oben in Freiheit zu leben. Probleme mit Wölfen gibt es keine, wie er uns versichert. Wir gehen davon aus, dass der Mensch bereits dafür gesorgt hat, dass der Wolf hier nicht mehr heimisch ist. Die Jagd wird in ganz Spanien großgeschrieben – das wird uns einige Male während unserer Reise bewusst.

16. Etappe – Sierra de Segura, Sierra de Cazorla, Badlands

Die Stimmung abends und früh morgens am Campo del Espino ist großartig. Zwar bedecken einige Wolken am nächsten Morgen den Himmel und sparen uns so eine Menge Foto-Stopps auf dem gigantischen Hochplateau der Sierra de Segura, aber wir staunen dennoch über die unfassbare Weite und die faszinierende, unberührte Landschaft. Die Piste ist zum Glück meistens gut fahrbar, nur ab und zu mit größeren Steinen gespickt, was für uns auf den vollbeladenen Reisrädern jedes Mal ein deutliches Herabsenken der Geschwindigkeit bedeutet.

Als wir schön langsam die baumlosen Höhen verlassen und in waldigere Regionen kommen, strahlt auch wieder die Sonne vom blauen Himmel. Hirsche mit mächtigen Geweihen queren vor uns die Wege, unmittelbar neben uns haben sich ein paar Geier auf größeren Steinen versammelt. Es tut ungemein gut, durch diese intakte Naturlandschaft zu reisen, und die wunderbaren Bilder prägen sich tief in unser Gedächtnis ein.

Irgendwann geht es für längere Zeit steiler bergab, bis wir ein paar Kilometer an einem idyllischen Bach durch dichten Wald entlang radeln. Dann geht es nochmals ordentlich bergauf zu einem Sattel, von dem aus ein schmälerer, aber gut fahrbarer Weg zur „Puente de la Herradura“ führt, die uns über den Río Guadalentín bringt.

Als wir kurz vor Pozo Alcón wieder auf eine Asphaltstraße kommen, atmen wir richtig auf – so schön die Strecke bisher auch war, unanstrengend war sie nicht gerade und ein paar Kilometer und Höhenmeter liegen ja auch heute noch vor uns. Trotzdem gönnen wir uns in Pozo Alcón eine kurze Pause in einer Bar, und an dieser Stelle muss endlich ein Loblied auf den spanischen Café angestimmt werden: der tiefschwarze „Café Largo“ ist kein wässriger „Verlängerter“ wie bei uns in Österreich, sondern ein kräftiges, aromatisches Arzneimittel für müde Radfahrer – vom Geschmack und vor allem von der Menge her besser als jeder italienische Espresso – und alle unsere Freunde und Bekannten wissen, wie sehr wir italienischen Espresso lieben 🙂

Zurück auf der Straße geht es vorerst noch genüsslich durch Olivenhaine nahezu flach dahin. Und dann sind sie plötzlich da, direkt vor uns: die „Badlands“ – eine wüstenartige, wild zerfurchte Bergregion … nicht hoch, sondern eigentlich niedriger als die umliegenden, fruchtbaren Ebenen … auf jeden Fall Land, das nicht bebaut, beziehungsweise landwirtschaftlich genutzt werden kann – Badlands … so heißt die Gegend auch bei den Einheimischen.

So großartig es für uns dann 300 Höhenmeter bergab und anschließend an buntesten Gesteinsformationen überwältigend schön vorbei geht … mit einem haben wir nicht gerechnet: mit einer Unachtsamkeit während der Routenplanung, da wir auf diesem Teilstück den von Komoot vorgeschlagenen Weg ohne große Detailrecherche (z.B. Satellitenbild) auf unser GPS übernommen haben, was in einer derart unwirtlichen Gegend durchaus leichtsinnig ist, auch wenn wir bisher sicher zu 90% sehr gute Erfahrungen mit der automatisierten Routenwahl von Komoot gemacht hatten. Anders als in den Bardenas Reales, wo uns das vorabendliche Gewitter ein sonst trockenes Flussbett geflutet hat, ist heute nicht das Wetter verantwortlich für das sich nähernde Problem. Unser Track führt hier einfach ohne Brücke über den „Río Guadiana Menor“ (ist auch am Satellitenbild deutlich zu sehen), der, vom riesigen Stausee „Embalse de Negratín“ gespeist, mit kräftiger Strömung am Rande der „Badlands“ talabwärts fließt.

Schon die letzten Kilometer davor haben wir ein mulmiges Gefühl auf der beinahe zugewachsenen Piste durch hohes Schilfgras. Irgendwie sind hier verdächtig wenige Spuren auf der Piste und am GPS sehen wir, dass wir in Kürze über den Fluss müssen, der schon die längste Zeit rechterhand neben uns auf sich aufmerksam macht. Insofern ahnen wir schon im Voraus, was dann vor Ort zur Gewissheit wird: es ist eine Querung ohne Brücke. Diesmal zumindest nicht durch eine trübe, lehmige Suppe, sondern durch ein auf den ersten Blick vom Ufer aus nicht allzu tiefes Gewässer.

Peter testet mit Plastikschlapfen die ersten Meter und kehrt bald wieder um, das Gewand muss runter … das Wasser geht bis über den Bauch. Dann also nackt durch den Fluss, was nach wenigen Metern durch die heftige Strömung zu einem richtigen Kraftakt wird, wohlgemerkt auch ohne Gepäck. Nach diesem Test wieder zurück und mit Hana gemeinsam Hand in Hand durch die starke Strömung, um danach noch weitere sechsmal hin und her gegen die Strömung anzukämpfen – zuerst mit den ganzen Gepäcktaschen, die Hana am anderen Ufer entgegennimmt, die letzten beiden Male dann mit je einem Rad über den Schultern.

Völlig erledigt, aber unwahrscheinlich froh, es ohne auszurutschen oder mitgerissen zu werden geschafft zu haben, geht es mit einer knappen Stunde Verzögerung weiter. An sich fühlen wir uns „gerettet“, doch die nächste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Unser Track führt gerade auf ein Schotter-Geröllfeld zu, in dem sich eine Furche nahezu senkrecht berghoch zieht – zu Fuß wahrscheinlich schon recht anspruchsvoll, mit schweren Rädern ein Ding der absoluten Unmöglichkeit. Also versuchen wir einen am GPS eingezeichneten Weg, der uns in einem weiten Bogen zu unserem Track zurückführen sollte. Dieser Weg führt uns durch ein schmales, teils tief ausgewaschenes Bachbett und zwingt uns abermals öfters vom Rad. Zum Trost gibt es atemberaubende Ausblicke auf die im Abendlicht rot strahlenden Felsformationen der „Coloraos“.

Und irgendwann haben wir es geschafft, wir landen auf einer breiten Schotterpiste, offensichtlich die Hauptroute durch die Badlands. Aber selbst hier wartet noch eine saftige Steigung auf uns, die wir nur schiebend bewältigen können.

Bei einer kleinen Abzweigung fahren wir dann links ab zu einem Hügel mit Höhleneingängen, da wir unseren angepeilten Zeltplatz heute fix nicht mehr erreichen können. Die Sonne ist schon untergegangen und der Platz, den wir gerade entdeckt haben, eine optimale Stelle für unser Nachtlager. Jetzt ist jede Minute wertvoll. Wir waschen uns Staub und Schweiß vom Körper, bevor wir hungrig über unser Abendessen herfallen. Eine anspruchsvolle aber gewaltig schöne Etappe liegt hinter uns und die Wetterprognose für morgen verspricht Sonne und blauen Himmel über der „Desierto de Gorafe“ – also schnell ab ins Zelt und Augen zu, um neue Energien zu tanken.   

17. Etappe – Desierto de Gorafe (Badlands)

Von unserem Zeltplatz aus genießen wir am nächsten Morgen einen bombastischen Sonnenaufgang. Die außerirdisch bizarre Landschaft erstrahlt in den schönsten Farben und wir sind umso dankbarer, es gestern bis hierher geschafft zu haben. Hätten wir die Flussquerung nicht auf uns genommen, wären wir nie hier oben gelandet.

Gut 300 Höhenmeter steigen wir dann auf den nächsten 12 km durch die Badlands weiter an, bis wir in 1.000 Meter Seehöhe nochmals einen atemberaubenden Panorama-Blick zurück auf die „Desierto de Gorafe“ werfen.

Danach geht es abwärts ins Dorf „Gorafe“, wo wir wieder auf Asphalt treffen und im kleinen Lebensmittelladen üppig einkaufen. Ab hier beginnt für uns auch das weite Gebiet der „Cuevas“ – der in die lehmigen Berge und Hügel geschlagenen Wohnhöhlen. Dass wir heute Abend in einer solchen Cueva schlafen werden, ahnen wir noch nicht. Wir sind jedenfalls ziemlich ausgelaugt von gestern und noch recht planlos, wie weit wir heute fahren wollen. Unsere Route nach Granada haben wir schon umgeplant, um auf direktem Weg ohne kräftezehrende Offroad-Passagen die vielbesungene Stadt am Fuße der Sierra Nevada morgen zu erreichen. Wir recherchieren während der Mittagspause auf Google Maps nach einem Campingplatz – weit und breit keiner zu finden. Der ursprünglich angedachte Zeltplatz liegt uns auf jeden Fall zu weit entfernt und zu hoch in den Bergen. Wir werden unterwegs schon etwas finden …

In Benalúa suchen wir eine Bar zwecks Café-Pause – ohne Erfolg. Aber wenig später in El Bejarin werden wir fündig – ein Glückstreffer in zweierlei Hinsicht. Erstens schmeckt der Café Largo wieder einmal hervorragend und zweitens werden wir plötzlich vom Nachbartisch auf Deutsch freundlich angesprochen. So lernen wir Sabine kennen, die vor vielen Jahren von Deutschland nach Benalúa gezogen ist, sowie ihren Freund Fernando, der eine kleine Bio-Pfirsichplantage besitzt. Bei der Frage, wohin wir heute noch fahren, kommen wir ins Stocken. Sabine schlägt uns spontan vor in ihrer Höhle, die sie als Ferienwohnung vermietet, zu übernachten – momentan habe sie keine Gäste. Wir sagen dankbar ja, nehmen mit den beiden noch einen Drink, besuchen danach Fernandos Pfirsichplantage, sprechen und lernen über biologische Landwirtschaft in Spanien, über Bewässerungssysteme in einer Region, die seit 3 Monaten keinen Niederschlag hatte, über das Zusammenleben mit den (großteils) sesshaft gewordenen Zigeunern, über deren Musik, den Flamenco, der von Spanien nur allzu gerne als eigenes Kulturgut vereinnahmt wird, und noch über vieles mehr.

18. Etappe – Granada

Die Nacht im klimatisch wunderbaren Höhlen-Apartment wird richtig erholsam und so starten wir am nächsten Morgen gut regeneriert zu unserer kurzen Etappe nach Granada, wo wir die nächsten Tage bis Freitag wieder ein Apartment gebucht haben.

Auf einer herrlichen Asphaltstraße, die wir mit hunderten Rennradfahren teilen, geht es zwischen der Sierra Nevada und der Sierra de Huétor zum knapp 1.300 m hohen „Puerto De Los Blancares“.

Lustig wird es auf der Abfahrt, die von einigen kurzen Anstiegen unterbrochen wird. An einem dieser Anstiege überholt uns knapp vor der Kuppe mit kräftigen Pedaltritten ein Rennradfahrer – er lässt uns richtig stehen, wie man so schön sagt. Auf der anschließenden, kurvigen Abfahrt kommen wir wieder näher und erlauben uns einen kleinen Spaß. Jetzt treten wir so kräftig in die Pedale, dass wir bald in seinem Windschatten hängen, ohne dass er uns wittert. Peter schaltet daraufhin absichtlich etwas kräftiger – jetzt hat er uns gehört, dreht sich um und tritt auf einmal wieder in seine Pedale, als ginge es um den Etappensieg. Wir schieben noch ein Filmzitat nach: „Nie umdrehen, Lance!“ und müssen heute noch lachen, wenn wir an seinen Gesichtsausdruck denken.

Über Granada gäbe es viel zu berichten. „Natürlich“ besichtigen auch wir die Alhambra, zum erstmöglichen Termin in der Früh um 8:30 Uhr. Den richtig großen Touristenströmen können wir in den Nasridenpalästen dadurch noch aus dem Weg gehen, dennoch ist uns insgesamt viel zu viel Trubel, sodass wir das Areal nach etwas über zwei Stunden wieder verlassen. Die Fotos, die wir in den Nasridenpalästen gemacht haben, wirken wesentlich ruhiger und nachhaltiger als die hektische Atmosphäre, der man als durchgeschleuster Besucher in einer derart hochkarätigen Touristen-Attraktion ausgesetzt ist.

Die einzelnen Etappen auf Strava:

TdE 15 – Sierra de Segura 4:05:10 51,84 km 1.103 m
TdE 16 – Sierra de Segura, Sierra de Cazorla, Badlands 6:46:24 85,82 km 883 m
TdE 17 – Desierto de Gorafe (Badlands) 4:37:23 53,18 km 816 m
TdE 18 – Granada 3:24:03 57,14 km 699 m

Fahrzeit, Kilometer und Höhenmeter sind nicht 100% exakt … wenn z.B. vergessen wurde, die Uhr nach einer Pause wieder zu starten 🙂

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Unsere Travesía de España im Detail: