Andalusien:
Costa Tropical, Málaga, El Chorro, Vía Verde de la Sierra, Weiße Dörfer (Pueblos Blancos)

Andalusien:<br>Costa Tropical, Málaga, El Chorro, Vía Verde de la Sierra, Weiße Dörfer (Pueblos Blancos)

Nur noch 5 Etappen liegen vor uns, bis wir in Cádiz unsere „Travesía de España“ beenden werden. Der 26. Oktober (Feiertag in Österreich) kommt uns am Dienstag sehr gelegen, da wir so deutlich entspannter unser Finale genießen können als an einem regulären Arbeitstag, an dem immer mal das Handy läutet oder ein paar Mails hereinkommen, die abgearbeitet gehören, was wir an unseren Freitag- und Montag-Radreisetagen zwischendurch auch immer wieder brav machen.  

19. Etappe – Costa Tropical

Von Granada steigen wir entlang des Naturparks „Sierras de Tejeda, Almijara y Alhama“ auf einer einsamen, schönen Straße nochmals bis auf 1.350 m Höhe. Die anschließende Abfahrt durch imposante, felsige Berglandschaften ist spektakulär und wartet mit einigen großartigen Panoramablicken auf.

Irgendwann sehen wir erste Dörfer und Ortschaften an den Berghängen und auch zahlreiche, hohe Bäume, deren Blätter wir nicht kennen und uns lange Zeit Gedanken machen, was hier im großen Stil angebaut werden könnte. Auf einmal löst sich das Rätsel: wir entdecken – an langen Stielen herabhängend – grüne, dicke Früchte: Avocados! Tausende Avocados … bis dahin war uns nicht bewusst, dass hier in Spanien tonnenweise Avocados angebaut und in viele Länder der EU exportiert werden. Die Plantagen werden immer größer und immer dichter, je weiter wir das Tal des „Río Verde“ bergab nach Almuñécar rollen. Eine Avocado pflücken wir, sie ist noch hart, aber ein paar Tage später werden wir die traumhafte Frucht in Cádiz genießen.

Damit aber nicht genug. Plötzlich sehen wir im Augenwinkel dicke rötliche Früchte an kleinen Bäumen hängen – das gibt es ja nicht: Mangos! Unzählige reife, riesige Mangos hängen hier an den Bäumen, die an steilen Böschungen seitlich unserer Straße stehen. Zahlreiche Mangos sind bereits herabgefallen und bis auf die Straße gekullert, wir brauchen uns nur zu bücken und sammeln ein paar Früchte unterschiedlicher Größen und Farben auf. Noch nie zuvor haben wir derart süße und wohlschmeckende Mangos verspeist, wie kurz darauf bei unserer Mittagspause an der Mittelmeerküste in Almuñécar. Auch Bananen und Datteln hängen hier an Palmen – völlig zu Recht trägt dieser exotische Küstenstreifen mit seinem ganz speziellen Mikroklima den Namen „Costa Tropical“.

Nach einer längeren Pause am Strand, inklusive Schwimmeinheit, checken wir am kleinen, gemütlichen Campingplatz „Nuevo Camping la Herradura“ ein. Wir sind glücklich und froh, so gut an der Mittelmeerküste angekommen zu sein und genießen am Abend nochmals ausgiebig die wohltuende, ruhige Atmosphäre am Strand, während wir dem herrlichen Rauschen der Wellen lauschen.

20. Etappe – El Chorro

Zum Glück schlafen wir tief und fest auf unserem Campingplatz, denn die nächste Etappe hat es nochmals ordentlich in sich. Am Ende des Tages werden es 122 km und 1.639 Höhenmeter sein. Also starten wir wieder zeitig in der Dunkelheit und erleben einen malerischen Sonnenaufgang an der Küste. Zu Beginn gibt es noch ein paar Steigungen, danach geht es bis Málaga am Höhenprofil flach dahin. Dennoch zehren bereits diese 70 km, da wir durch zahlreiche langgezogene Ortschaften und Städte müssen, wo es ein permanentes Stop & Go gibt (Kreisverkehre und Ampeln) und die Konzentration im etwas dichteren Verkehr doppelt so hoch ist wie sonst. Auch ist es mit über 30° im Schatten noch erstaunlich heiß für die Jahreszeit – vor allem wenn wir bedenken, wie wir vor ein paar Tagen schon gefroren haben.

Insofern atmen wir richtig auf, als wir aus Málaga wieder draußen sind. Bis „Estacion de Cartama“ geht es noch relativ flach dahin, doch dann ist Schluss mit lustig. Was am Höhenprofil halb so wild aussieht, entpuppt sich bald als absolute Härteprüfung: der Anstieg zur „Ermita de las Tres Cruces“. Ca. 500 Höhenmeter auf ca. 10 km sind an sich keine Herausforderung, nur dass dieser Anstieg so gemein ist, dass es keineswegs kontinuierlich bergauf, sondern permanent in unmenschlichen Steilrampen (20-23%) bergauf und danach wieder flach bis leicht bergab geht (was man am Höhenprofil vorher nicht sieht). Dass 500 Höhenmeter bei 20% Steigung mit 35-45 kg schweren Rädern weh tun, vor allem wenn man davor schon 90km bei Hitze und teilweise viel Verkehr in den Beinen hat, sei hier nur kurz angemerkt. Immerhin entschädigen tolle Ausblicke über rotbraune Hügellandschaften bis zurück zum Meer für die Strapazen, und auch die motivierenden Aufschriften am Asphalt vom „Club Ciclista Al-Andalus“ tun gut: „Vamos … Animo …“

Das Feine beim Radfahren: irgendwann ist jede böse Steigung geschafft. Mit diesem Wissen schrauben wir uns Meter für Meter berghoch und erreichen, wenn auch deutlich später als gedacht, die kleine Kapelle mit den 3 Kreuzen. Ab hier ist wieder Schluss mit Asphalt und es folgt eine erdig-steinige Piste Richtung unserem Etappenziel: El Chorro – das Kletterparadies in Andalusien, wenn nicht in ganz Spanien … aber bis dahin sind es noch einige Kilometer und vor allem Höhenmeter.

Am Ende wartet nochmals ein giftiger 300 hm Anstieg. Die Sonne steht schon sehr tief, die Schatten werden immer länger, die Beine immer müder … nach über 8 Stunden reiner Fahrzeit bei 11 ½ Stunden Unterwegssein checken wir völlig erledigt am Campingplatz „The Olive Branch“ ein. Wir gönnen uns einen Radler (Dose Bier und Dose Limo aus dem Kühlschrank der Rezeption), nehmen eine heiße Dusche und füllen in der großen Gemeinschaftsküche gierig unsere leeren Depots wieder auf. Dabei plauschen wir nett mit einigen Kletterern, die meisten deutschsprachig, die meisten jünger als wir. Während einige noch bei lauter Musik bis in die Puppen feiern, liegen wir schon flach und versuchen zu schlafen.     

21. Etappe – Vía Verde de la Sierra

Früh morgens weckt uns ein Geräusch am Zelt. Hurra, ein neugieriger Fuchs ist da. Und er lässt sich auch nicht so einfach verscheuchen. Selbst in seine Richtung geworfene Steine interessieren ihn wenig, ganz im Gegenteil: im Glauben, dass wir ihm ein Leckerli zuwerfen, läuft er zum Stein hin und beschnuppert ihn hungrig. Irgendwann zieht er weiter, offenbar zum nächsten Zelt, denn wir hören Reißverschlüsse und genervtes Schnaufen bei den Nachbarn.

Als wir aufstehen, in der Gemeinschaftsküche frühstücken und unser Zelt abbauen, schlafen noch alle anderen. Wir ziehen weiter, denn es wartet wieder eine längere, hügelige Etappe. Vorbei am legendären, eindrucksvoll in die Felswände gebauten „Caminito del Rey“ geht es berghoch zu den „Tres Embalses“ – 3 malerische Stauseen inmitten einer herrlichen Naturlandschaft. Oberhalb eines Stausees rasten wir mit Chai-Tee und Kuchen, wir sind immer noch etwas müde von gestern und auf den ersten 15 km ging es auch heute gleich wieder 400 Höhenmeter bergauf.

Im wunderschönen Bergdorf Teba kaufen wir wieder etwas Proviant. Teba gehört auch zu den „Weißen Dörfern“ (Pueblos Blancos) und die alte Burg – das „Castillo de la Estrella“ – ist schon von Weitem ein zusätzlicher Blickfang.

Noch beeindruckender ist dann der Blick auf das „Weiße Dorf“ Olvera, wo wir uns nochmals mit einem Café stärken, bevor wir uns auf die „Vía Verde de la Sierra“ machen. Dieser ca. 37 km lange Bahntrassen-Radweg zwischen Olvera und Puerto Serrano gehört in die Kategorie absolutes Genussradeln. Durch zahlreiche Tunnels schlängelt er sich malerisch durch die felsige Landschaft – ohne nennenswerte Anstiege.

Wir fahren bis „El Chaparro de la Vega“ – eine riesige, 700 Jahre alte Eiche als Naturdenkmal, umrundet von einem großen Pick-Nick-Platz mit Kapelle (Ermita de Nuestra Señora de Fátima) und zahlreichen Tischbänken. Im Vorfeld haben wir im Internet einige Fotos mit Wohnmobilen gesehen und uns die Info gespeichert, dass man dort für eine Nacht problemlos sein Zelt aufschlagen kann. Als wir ankommen, stehen auch schon ein paar Wohnmobile da – sehr gut, denn so ganz allein auf dem großen Areal, das sich etwas abseits der Via Verde befindet, wäre es vielleicht ein wenig unheimlich. Womit wir nicht rechnen: alle Wohnmobile verlassen bei Einbruch der Dunkelheit die „Área Recreativa“ und wir sind dann doch ungewollt mutterseelenallein. Egal, wir bleiben und machen es uns in unserem Zelt gemütlich.

Unheimlich wird es dann kurz nach Mitternacht, als wir ein Auto kommen hören und wenig später ein immens lauter Schuss fällt. Was konnte das sein? Hoffentlich nur Jäger … aber um diese Uhrzeit? Das Auto nähert sich wieder, wir sehen Scheinwerfer. Ganz wohl ist uns nicht und wir hoffen fest, unentdeckt zu bleiben, nachdem wir uns extra am äußersten Rand des Areals etwas im Abseits positioniert hatten. Das Auto bleibt stehen, wir hören ein paar Stimmen – wir liegen mucksmäuschenstill, spüren wie unser Herz pocht … aber es bleibt dabei, es passiert nichts weiter. Wir werden nie erfahren, wer hier um diese Uhrzeit was geschossen hat, und wir wollen es auch nicht wissen. Wir sind nur heilfroh, als um 5 Uhr morgens unser Wecker läutet und die etwas gespenstische Nacht gut vorüber ist.

22. Etappe – Arcos de la Frontera

Als wir mit Stirnlampen beim Frühstück sitzen, hören wir schon wieder ein seltsames Geräusch in etwa 50-100 Meter Entfernung. Wir leuchten in die Richtung und sehen zwei funkelnde Augen – ah, sieht nach Katze aus … aber was macht die Katze mit Hanas Radhelm? … Ui, schon wieder ein Fuchs! Und was für einer … hat er es doch tatsächlich geschafft, unmittelbar neben uns aus den Apsiden des Zeltes Hanas Helm – mit Handschuhen und Brille drinnen – knapp 100 Meter weit weg zu entführen. Wir sammeln die in der Gegend verstreuten Teile – Handschuhe, Brille und schließlich Helm – wieder ein und müssen lachen in der Vorstellung, wie der Fuchs abends mit seinen Kumpeln beisammen sitzt und einen Raunen durch die Menge geht, als er erzählt, wie ihn kurz vor dem rettenden Waldstück die Kräfte verließen und er seine Beute aufgeben musste. Andererseits hätten wir uns schön gewundert und es nicht verstehen können, wenn beim Zusammenpacken plötzlich Hanas Helm gefehlt hätte. Keine Ahnung, ob wir auf die Idee gekommen wären, die Gegend großräumig abzusuchen.

Weniger aufregend wird dann die heutige kurze Etappe nach Arcos de la Frontera, eines der bekanntesten „Weißen Dörfer“ Andalusiens, in dem wir uns für 1 Nacht ein Apartment im Zentrum gemietet haben.

Zuerst geht es schön über die letzten Kilometer der „Vía Verde de la Sierra“ nach Puerto Serrano – ein malerisches Städtchen mit sehr nettem Zentrum, danach vorbei an Villamartín über weite Felder Richtung Arcos.

Neben der Straße sehen wir immer wieder weiße, baumwollartige Knäuel liegen, die offenbar ein Traktor oder Transporter verloren hat. Aber kann das tatsächlich Baumwolle sein, hier in Spanien? Ja! Bald sehen wir auch schon einige Felder vor und nach der Ernte und staunen über die bauschig weißen Knäuel an den rötlich-braunen Stauden. Nach kurzer Recherche lesen wir, dass in Andalusien tatsächlich Baumwolle angebaut und geerntet wird – natürlich nicht in so mühevoller Handarbeit, wie man es von den amerikanischen Filmen her kennt, sondern ganz zeitgemäß mit Traktoren.

Arcos de la Frontera liegt wunderschön auf einem Felsen und bietet in der sehenswerten Altstadt einige architektonische Kostbarkeiten. Aber auch die einfachen, schmalen Gassen durch die weiß gekalkten Häuser sind eine Augenweide. Wir strampeln steil bergauf zum höchsten Punkt der Stadt und rollen dann genüsslich ein paar Meter abwärts zu unserem Apartment. Beim Abendessen auf der Terrasse mit schönem Blick auf die Dächer und Lichter von Arcos kommt etwas Wehmut auf beim Gedanken, dass morgen die letzte Etappe unserer Spanien-Durchquerung am Programm steht. Andererseits freuen wir uns schon richtig auf das Finale in Cádiz, aufs Ankommen und Verdauen der ganzen Eindrücke und Erlebnisse der letzten Wochen.

23. Etappe – Cádiz

Immerhin bieten die 90 km bis Cádiz nochmals einiges an Abwechslung und einen bunten Mix aus all dem, was für Andalusien so typisch ist: schwarze Stiere auf der Weide, dunkle Iberische Schweine in weitläufigen Korkeichenhainen, üppige Baumwollfelder, schier endlose Oliven-Plantagen, jede Menge Zitronen- und Grapefruit-Bäume in Gärten und an Straßenrändern, einen riesigen Stausee (Embalse de Guadalcacín), Windräder auf weiß-braun-rötlich gefärbten Erd-Stein-Feldern, staubig-ruppige Schotterpisten, feine einsame Landstraßen, … all das verblasst heute aber ein wenig gegenüber der phänomenalen Einfahrt in Cádiz.

Sobald man auf der breiten Uferpromenade gelandet ist, fesselt einen die steinalte Stadt mit prachtvollen Ausblicken auf die große Kathedrale, auf einladende Strände, auf das Castillo de San Sebastián am Ende des Paseo Fernando Quiñones, … wir drehen eine kleine Ehrenrunde auf der Küstenpromenade rund um die langgezogene Altstadt und beziehen danach unser Apartment mitten im Zentrum – glücklich und zufrieden, müde und erschöpft, dankbar und beseelt ob der großartigen Reise quer durch ein derart geniales Land.

Die einzelnen Etappen auf Strava:

TdE 19 – Costa Tropical: 5:49:08 85,80 km 1.206 m
TdE 20 – El Chorro 8:11:37 122,09 km 1.639 m
TdE 21 – Vía Verde de la Sierra 6:25:09 92,84 km 1.130 m
TdE 22 – Arcos de la Frontera 3:56:27 58,99 km 525 m
TdE 23 – Cádiz 5:55:20 91,44 km 813 m

Fahrzeit, Kilometer und Höhenmeter sind nicht 100% exakt … wenn z.B. vergessen wurde, die Uhr nach einer Pause wieder zu starten 🙂

Download GPX:

Unsere Travesía de España im Detail: