Als Start- und Zielpunkt für unsere Rundreise durch Taiwan haben wir im Vorfeld über booking.com das Backpackers Hostel im Zentrum Taipehs gebucht, nicht nur Preis/Leistungsmäßig eine sehr gute Wahl (ca. EUR 20,- p.P. pro Nacht) sondern vor allem auch auf Grund der hilfsbereiten und sehr herzlichen Mitarbeiter/innen. So werden wir bei unserer Ankunft nicht nur überaus freundlich empfangen, sondern auch gleich mit wertvollen Tipps (Einkaufen, Essen, Telekom-Laden für Internet SIM-Karte, …) ausgestattet.
Unser Zimmer ist wie erwartet alles andere als groß, aber für unsere Bedürfnisse vollkommen ausreichend. Es ist sogar möglich die Bikes innerhalb unserer vier Wände zusammen zu bauen, und gleichzeitig alle Taschen für unterwegs zu packen.
Um 11.00 Uhr starten wir dann unser Abenteuer Taiwan. Der Satellitenempfang in den teils extrem schmalen Gassen mit ihren hoch in den Himmel ragenden Häuserfassaden ist zu Beginn ziemlich schlecht, was die Navigation entlang des geplanten Tracks erschwert. Wir verlassen uns mehr auf unsere Groborientierung und steuern über breite und schmale Straßen dem zentralen Radweg entlang des Xindian Rivers entgegen. Kurz vor der großen Xindian Bridge teilt sich die Straße und Radfahrer erhalten zusammen mit Mopeds eine eigene Fahrbahn – Luxus pur.
Das Wetter ist diesig und schwül, es dauert nicht lange, bis die ersten Schweißperlen rinnen und die Hand regelmäßig zur Flasche greift. Die Strecke hinaus aus der Metropole ist nicht gerade attraktiv. Wir sind durchaus froh, als wir den Radweg nach gut 20 Kilometern verlassen und auf nicht sehr stark frequentierten Straßen durch erste kleinere Ortschaften gelangen. Wir stoppen bei einem größeren Supermarkt, decken uns vorsorglich mit einer Menge Proviant ein und testen danach eine erste Straßenküche, die uns mit einer großen Auswahl an schneeweißen Dampfgarbrötchen lockt, die optisch etwas an unsere Germknödel erinnern. Wir zücken erstmals unser Zeigewörterbuch und machen verständlich, dass wir kein Fleisch und keinen Fisch möchten. Kein Problem, wir erhalten zwei Sorten, eine gefüllt mit einem sehr würzigen Gemüse-Mix, eine mit einem nicht sehr spannenden rötlichen Bohnenmus, offenbar eine in ganz Taiwan sehr beliebte Füllung, die uns in den nächsten Tagen noch öfter begegnen wird.
Kurz nach unserer ersten Stärkung verlassen wir die Hauptstraße und zweigen links in eine sehr schmale Nebenstraße, die uns bald steil bergauf führt. Autos überholen uns ab hier für längere Zeit nur mehr wenige. Als uns ein Mopedfahrer begegnet, hält er an und macht uns mit Händen und Füßen klar, dass diese Straße auf Grund eines Hangrutsches eine Sackgasse ist. Er kritzelt dazu mit einem kleinen Stein Skizzen auf den Asphalt, die uns das Ganze klar machen sollen. Er meint zwar zum Schluss, dass es mit unseren Rädern vielleicht irgendwie geht, mit seinem Moped musste er jedenfalls umdrehen. Wir danken für die Infos und fahren etwas verunsichert aber noch durchaus optimistisch weiter. Nach einem kurzen Blick auf die Karte bzw. Zoom-Out im GPS ist ohnedies keine wirkliche Alternative sichtbar.
Wir gewinnen Kurve für Kurve an Höhe. Die schwüle Hitze schlaucht uns gewaltig. Häuser gibt es kaum mehr neben den Straßen. Ab und zu passieren wir kleine Gärten, in denen oft sehr kreativ auf engstem Raum Obst und Gemüse angebaut werden. Bei einem winzigen Straßentempel rasten wir kurz im Schatten und staunen über die liebevollen Details und kleinen Opfergaben rund um den bärtigen Buddha.
Irgendwann wird die Straße immer schmutziger und zugewachsener und dann dauert es nicht mehr lange: wir stehen vor dem für Autos und Mopeds offensichtlich unüberwindbaren Hindernis. Die Straße ist abgerissen, nach einer knapp 1 Meter hohen Stufe hängen die Asphaltreste ziemlich schräg am Hang. 3 junge Mopedfahrer, die uns kurz zuvor überholt hatten, stehen mit uns an der Kante und beratschlagen. Einer der Jungs marschiert mit Hana los, um die Lage etwas weiter vorne zu erkunden. Es sieht für uns durchaus machbar aus. Kurz darauf „seilen“ wir unsere vollbepackten Räder die Stufe ab, schieben und tragen sie über den hängenden Asphalt und kurz darauf über einen unwegsam vermurten Trampelpfad, der die darunter liegende Straße begraben hat. Die Mühe lohnt sich – bald haben wir das Schlimmste geschafft und erreichen die nächste dickere Straße, die uns in steilen Serpentinen zur Grenze der „regierungsunmittelbaren Städte“ New Taipei City und Taoyuan bringen wird. In einer Kehre blicken wir nochmals zurück zur abgerissenen Straße von der wir gekommen waren und sehen auch noch die drei Moped-Jungs an der Kante stehen – offenbar haben sie noch keine finale Entscheidung getroffen.
Ab der Grenze New Taipei City/Taoyuan auf etwa 840m Seehöhe geht es für uns am heutigen Tag nur noch bergab Richtung Shihmen Reservoir – unserem anvisierten Etappenziel. Hier bildet der künstlich aufgestaute Dahan River eines der größten Wasserreservoirs Taiwans, das vor allem für Wasserversorgung, Hochwasserschutz und die Erzeugung von Wasserkraft in den 1960er-Jahren errichtet wurde.
Noch sind wir etwas nervös und aufgeregt, wie und wo wir unseren ersten Zeltplatz finden werden, aber ebenso optimistisch. Als wir ein Schild mit den Symbolen Essen/Trinken/WC/Übernachten sehen, zweigen wir von der 7er (Beibu Cross-island Highway) ab und rollen zu einer Art Bungalow-Siedlung hinunter. Unsere Frage, ob wir auf der großen Wiese am Rande der Bungalows unser Zelt aufschlagen dürfen, wird vom jungen Barkeeper der Café-Station sehr freundlich bejaht. Nachdem keine anderen Gäste außer uns da sind und die Belegschaft schon quasi am Sprung ist, bekommen wir zwar nichts mehr zu essen, dafür aber einen schnellen Café (mit Eiswürfeln) sowie Duschen und Toiletten gezeigt. Dann heißt es auch schon bald Good bye und Xièxiè (Danke) und unser Gastgeber düst mit seiner Freundin winkend am Moped davon. In der Dämmerung machen wir uns glücklich daran, unseren Zeltplatz einzurichten – unwissend, dass es für diese Reise das erste und einzige Mal auf einem geraden, weichen Wiesenboden sein wird. Um 17.30 Uhr ist es bereits richtig finster und entsprechend früh liegen wir auf unseren Isomatten.