Taiwan 04:
Fuxing Village – Sun Moon Lake – Tempel Nähe Puli

Als wir früh morgens in unsere luftgetrockneten Trikots schlüpfen, biegt bereits der Tempeldiener von gestern abend um die Ecke – diesmal zu Fuß, ohne Moped. Wir deuten ihm, dass wir hervorragend geschlafen und uns gut gewaschen haben, was ihn sichtlich sehr freut. Danach verabschieden wir uns freundlich.
Wir verlassen unseren Palmenhain und fahren zurück auf den Provincial Highway No. 21 und talabwärts Richtung Nantou County.

In der ersten Ortschaft (Zhangfu) nehmen wir unser zweites Frühstück ein, bevor die 21er nahe Guoxing Township 90° links (nach Westen) abzweigt. Von einem Berghang linkerhand leuchten uns von weitem goldene Statuen entgegen. Wir legen ein paar extra Höhenmeter ein und kurbeln zu der Tempelanlage empor. Leider ist sie verschlossen und so betrachten und fotografieren wir nur ein wenig von außen.

Bald darauf folgt der kurvige Anstieg Richtung Puli Township. 300 Höhenmeter geht es schweißtreibend bergauf.

Ablenkung finden wir unter anderem in der Analyse von aus Autofenstern geworfenen Dingen. Platz eins geht an die Goldgelb-Roten Seiten buddhistischer Gebetsbücher, die es bei vielen Tempeln zur freien Entnahme gibt. Dicht auf den Versen Platz zwei: leere Betelnuss-Schachteln mit leicht bekleideten jungen Mädchen am Cover … ein durchaus skurriler Kontrast.

Die ähnlich wie Alkohol anregend wirkenden Betelnüsse werden in Taiwan quasi an jeder Straßenecke verkauft. In den mit grünen Leuchtstoffröhren gekennzeichneten kleinen Verkaufsständen sieht man ausschließlich Frauen – oft jung und spärlich bekleidet (Betelnuss-Mädchen), um offenbar den Absatz bei der vermehrt männlichen Kundschaft zu steigern. Die putschende Wirkung der Betelnuss hinterlässt deutliche Spuren: Zähne und Lippen sind bei zahlreichen Taiwanern auffällig rot gefärbt, besonders harten Fällen sieht man die neurotoxische Wirkung des Betelkauens eindeutig an.

Hana übt schon mal den Mönchsspagat
Hana übt schon mal den Mönchsspagat

Kurz vor der Stadt Puli sehen wir einen Laden, in dem riesige Papayas in Schachteln verpackt werden. Die Früchte sehen so appetitlich aus, dass wir beschließen uns eine zu kaufen. Ich betrete den Laden und mache Andeutungen eine Papaya kaufen zu wollen. Irgendwie will mich aber niemand verstehen, alle reden nur auf chinesisch wie wild und halb lachend auf mich ein. Ich verstehe zuerst gar nicht nicht, wo das Problem liegt. Erst langsam begreife ich, dass dies hier offenbar kein Verkaufstand sondern nur ein Abpacklager ist. Bevor ich unverrichteter Dinge zurück über auf die Straße kann, hält mir ein Mann dann doch eine prächtige Frucht entgegen. Als ich ihm Geld geben möchte, deutet er unmissverständlich, dass er es nicht annehmen wird. Ich bedanke mich vielmals und kehre zu Hana und den Rädern zurück. Als ich die Papaya in einer Packtasche verstaue, kommt mir nochmals der Mann vom Papaya-Laden zu uns herüber mit zwei weiteren prallen Früchten in der Hand. Er macht uns begreiflich, dass diese beiden andere Reifegrade haben, indem er uns mit den Fingern zeigt, welche Papaya in wie vielen Tagen optimal für den Verzehr sein wird. Jetzt stehen wir da mit drei riesen Papayas, die zusammen bestimmt gut 5 Kilo wiegen. Ablehnen können wir nicht und so bedanken wir uns vielmals und herzlich, stopfen die weiteren zwei Papayas in die Ortlieb-Taschen, winken und ziehen weiter. Unsere Gedanken kreisen jetzt um ein Thema: morgen steht uns die große Bergetappe Richtung Hehuanshan bevor. Bis dahin müssen wir soviel wie möglich von den Papayas verzehrt haben, unabhängig davon, ob sie die optimale Reife haben oder nicht. Wegwerfen kommt für uns auf keinen Fall in Frage.

Die Fahrt durch das Zentrum von Puli macht richtig Spaß. Der Verkehr ist überschaubar und wie eigentlich überall sehr rücksichtsvoll – es herrscht ein spürbares Miteinander. Die Sonne scheint kräftig und lässt das bunte Meer aus Geschäftstafeln und –schildern entsprechend leuchten. An allen Ecken herrscht reges Treiben. Aus den winzigen Straßenküchen dampft und brutzelt es verlockend.
Wir genießen das besondere Flair der Stadt Puli, die ringsum von Bergen umgeben ist und als geographisches Zentrum der Insel gilt. Auf allen Seiten geht es also bergauf, so auch Richtung Sun Moon Lake, unserem nächsten Ziel.

Nahe der riesigen National Chi Nan University entdecken wir ein kleines Straßenlokal in dem zahlreiche junge Taiwaner ihr Mittagessen einnehmen. Es ist ein Selbstbedienungsrestaurant, in dem man aus unzähligen Töpfen und Schalen auf seine Teller laden kann, was einem gefällt. Wir füllen unsere Teller mit einer Vielzahl bunter Gemüse, von denen uns bei Weitem nicht alle bekannt sind. Unser Favorit ist jedoch bald ausgemacht: Melanzani mit Knoblauch und Zimt, wobei die Melanzani deutlich länger und dünner sind als bei uns und selbst im weichgekochten Zustand ihre kräftig violette Farbe behalten. Eine Schale Reis erhalten wir an der Kassa, Suppe und Tee gibt es zur freien Entnahme. Uns schmeckt es so gut, dass wir uns hier auch gleich für unsere Abendessen eindecken.

Zum Sun Moon Lake geht es 400 Höhenmeter bergauf, nach wie vor auf der 21er, die jetzt aber deutlich mehr Verkehr aufweist, vor allem Reisebusse in allen Größen und Farben.
Der Sonne-Mond-See (oder auch Dragon Lake) ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Taiwan, nicht nur für Hochzeitspaare. Der auf etwa 750m in die romantische Hügellandschaft eingebettete See ist das größte Binnengewässer Taiwans. Um ihn herum führen idyllisch angelegte Spazier- und Radwege. An sich haben wir eine Umrundung des Sees angedacht, angesichts der Menschenmassen vor Ort diesen Gedanken jedoch schnell wieder verworfen.

Wir besichtigen dafür kurz den am Südufer thronenden, gigantischen Xuanzang Temple, von dem aus man einen weiten Blick über den fast 100 Höhenmeter tiefer liegenden Sun Moon Lake genießt und verlassen dann auch schon wieder den Touristenmagnet.

Auf einer extrem schmalen Straße geht es parallel zur 21er zurück Richtung Puli. Zuerst steil bergab, dann wieder steil bergauf. Die Straße schlängelt sich einsam durch Teeplantagen und Palmenhaine und wir halten rege Ausschau nach einem geeigneten Zeltplatz, lange Zeit ohne Erfolg.

vom Sun Moon Lake zurück Richtung Puli
vom Sun Moon Lake zurück Richtung Puli

Wir sehen uns schon in Puli nach einem Zimmer fragen, da taucht plötzlich in einer scharfen Linkskurve ein kleiner Tempel auf. Zu unserer Freude entdecken wir einen von der Straße komplett uneinsichtigen Vorplatz, auf dem wir glücklich unser Nachtquartier errichten. Das Waschbecken ist diesmal trocken, was für uns nicht schlimm ist, da wir jeden Tag unterwegs unsere Radflaschen vorsorglich mit Duschwasser füllen. Wir spannen wie am Vortag das Zelt zwischen unseren Rädern ab und nehmen anschließend eine kleine Vorspeise ein: Papaya Nummer eins – noch nicht 100% reif aber durchaus lecker.

Als es dunkel wird, starten wir unsere Katzenwäsche. Danach speisen wir sauber, trocken und angenehm entspannt die köstlichen Gemüseschätze, die auch kalt nochmals außerordentlich gut schmecken.
Etwas später hören wir Stimmen und Schritte näher kommen. Es ist eine Familie aus dem nahe gelegenen Dorf. Wir nicken und winken uns freundlich zu. Die Kinder können ihre neugierigen Blicke kaum von uns abwenden.
Noch später kommt ein Auto und es biegt ein Mann um die Ecke, mit dem wir ein paar Worte in gebrochenem Englisch wechseln. Plötzlich steht er auf, geht zu seinem Auto und kommt mit einer Packung Tee zurück. Er ist Inhaber einer Teeplantage und möchte uns eine Packung schenken. Man könne den Tee warm oder auch kalt trinken, wenn man ihn für 1-2 Stunden in kaltem Wasser ziehen lässt. Das sollen wir dann auch gleich ausprobieren und so bröseln wir ein paar der trockenen, großen Teeblätter in eine unserer halbvollen Wasserflaschen. Wir bekommen eine Visitenkarte gereicht und das freundlich Gesicht erhält für uns auch einen Namen: Hung Wei Ching. Wenn wir irgend etwas brauchen oder Informationen suchen, sollen wir ihn kontaktieren. Dann verabschieden wir uns, denn er muss weiter zu seiner Familie.
Als wir bereits im Zelt liegen, hören wir erneut ein Auto, Schritte und bald die Stimme von Hung Wei Ching. Er hat uns eine mit Wasser gefüllte 1,5 Liter CocaCola Plastik-Flasche mitgebracht, da das Waschbecken des Tempels trocken ist und wir uns doch bestimmt waschen müssen. Keine Ahnung ob wir bereits so müffeln oder ob es ganz einfach nur so eine nette Geste ist – wir bedanken uns jedenfalls vielmals und wünschen uns gegenseitig eine gute Nacht.

Etappendaten: 69km – 1.340hm

GPS-Track der 4. Etappe

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Taiwan Intro-Text/Übersicht

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