In dieser Nacht schlafen wir ausgezeichnet und als der Wecker um 4.30 Uhr klingelt, sind wir richtig motiviert weiter zu reisen. Als es am Schulgelände noch stockfinster ist, hören wir schon erste menschliche Stimmen. Eine vierköpfige Seniorengruppe marschiert mit Walking-Stecken ein paar Runden auf der Laufbahn, die um den Sportplatz führt. Zusätzlich begleitet die Gruppe ein Greis am Fahrrad – wir meinen spaßhalber: „das ist sicher der Pacemaker“, während wir ein paar Bissen abgepackten Kuchen mit Obst frühstücken und unsere Sachen zusammen packen.
Der Himmel ist wolkenlos und so erleben wir am Weg nach Taitung eine prächtige Morgenstimmung entlang der Küste. Selbst das Bergland im Landesinneren zeigt sich uns erstmals richtig klar und konturenreich. An einem größeren Parkplatz führt ein netter Weg vorbei an Kunstinstallationen, Informationstafeln und einladenden Bankerln. Nur die Sehnsucht nach einem ordentlichen Frühstück treibt uns weiter.
Dieses nehmen wir dann im Zentrum von Taitung wieder einmal in Form von palatschinkenartigen Teigrollen, gefüllt mit Sprossen und Salaten ein. Dazu gibt es gesüßten grünen Tee im folierten Pappbecher.
In Taitung endet die 11er Küstenstraße und mündet in den Provincial Highway No. 9, der fortan die Küste weiter südwärts führt. Es folgen zwei längere Anstiege (jeweils etwa 100 Höhenmeter) mit tollen Aussichten über die breiten Pebbles-Strände, das türkis-blaue Meer und die grünen Berge im Hinterland.
Nach etwa 40km zweigen wir bei Taimali eine schmale Straße links Richtung Strand ab und schieben bald darauf unsere Räder durch den tiefen grauen Sand. Wir legen eine Pause ein, lauschen den schäumenden, schneeweißen Wellen und genießen die prächtigen Farben rund um uns.
Die Hitze in der prallen Sonne ist spürbar höher als die Tage zuvor. Also brechen wir bald wieder auf kehren zur 9er zurück. Unsere nächsten Stationen sind Jinlun (ca. km 50), wo wir uns im Supermarkt kurz stärken, und danach Dawu (km 72), wo wir in einem Selbstbedienungslokal wieder einmal eine feine Gemüseauswahl erspähen – u.a. mit unserem absoluten Favoriten: weichgekochte violette Melanzani mit Knoblauch und Zimt. Beim Essen werfen wir einen Blick in die Karte. Bald wird es spannend, denn 10km später zweigt in Daren die Straße Nr. 9 westwärts in die Berge ab, während die Küste entlang die Straße Nr. 26 weiter führt. Auf unserer Reise Know-how Taiwan 1:300.000 Straßenkarte ist die 26er durchgehend bis Xuhai eingezeichnet, während auf Google Maps die 26er südwärts eine Sackgasse ist. Wir glauben zwar eher Google Maps und den Satellitenbildern, probieren es aber dennoch und kehren 6km nach Daren wieder um, als die Straße erst in eine Schotterpiste mündet und etwas später in einem sandigen Fußweg mitten durch tropisches Gestrüpp endet. Einen richtig passenden Zeltplatz finden wir auch nicht, also beschließen wir die 9er noch 10km weiter bergauf zu fahren, um dann unser Glück im südlichen Landesinneren zu probieren.
Nachdem es schon später Nachmittag ist, treten wir die gut 450 Höhenmeter nach Chouqia (Shoukatiemayi Station) trotz extremer Hitze in quasi Zeitfahrtempo bergauf. Genau an der Grenze Taitung County/Pingtung County zweigt von der ab Daren einspurigen und stark frequentierten 9er die schmale Straße Nr. 199 ab. Auf perfektem Asphalt geht es jetzt in unzähligen Kurven hügelig durch dichte Wälder. Ab und zu sieht man vereinzelte Hütten mitten im Wald oder neben einem Wasserplatz. Wir befinden uns mitten im Shiuhai Grassland Recreation Park – eine denkbar ungünstige Landschaft, um irgendwo ein lauschiges Platzerl fürs Zelt zu finden: weit und breit nur Wälder, kleine Lichtungen, Tümpeln, Sumpfgebiete … dazu immer wieder unheimlich klingende, richtig laute Tiergeräusche. Nach 15 Kilometern teilt sich die Straße nochmals – wir zweigen links die 199a ab, die wieder bergab Richtung Küste führt. Es ist schon eher finster, als wir in Xuhai einfahren.
Als wir schemenhaft einen überdachten Holzpavillon etwas abseits im Wald- und Wiesengebiet sehen, nehmen wir einen schmalen, holprigen Weg, um den Platz zu inspizieren – leider umsonst … der gesamte Boden ist derart mit Vogelkot übersät, dass wir wieder umkehren und weiter suchen. Am Ortsende sehen wir einen kleinen Tempel und daneben ein freies Fleckerl erdige Wiese mit ein paar Bäumen drauf. Zur Straße hin steht eine bemalte Betonmauer und wir beschließen hier im Schutz der Dunkelheit unser Zelt aufzubauen – alles andere als begeistert, nur müde und lustlos weiter zu suchen.
Es wird eine sehr unruhige Nacht. Immer wieder lassen uns seltsame Geräusche von der Straße für längere Zeit wach liegen. Wir erkennen die Umrisse von herum streunenden Tieren, die den nahe gelegenen Mülleimer plündern. Ob es Hunde oder Affen oder irgendwelche anderen Tiere sind, können wir nicht ausmachen.