Tour de Kärnten: 418 km – 17 Stunden im Sattel

Tour de Kärnten: 418 km – 17 Stunden im Sattel

Auch 2022 „musste“ für uns zumindest ein Ausdauer-Lang-Projekt her. Lange überlegten wir, ob mit Rennrad oder MTB, ob eher Kilometer- oder Höhenmeter-lastig, ob direkt von daheim weg oder mit Anreise … wir ließen unsere bisherigen Lang-Projekte im Kopf Revue passieren, beginnend mit Wien – Passau als Tagesritt im Herbst 2011. Die intensiven Emotionen nach unserem ersten 300er haben wir noch gut abgespeichert und waren wahrscheinlich mitentscheidend für unsere Entscheidung 2022: eine 400er-Runde von daheim weg durch Kärnten – interner Projektname „Tour de Kärnten“, oder kurz: TDK.

Die Planung war nicht sehr schwierig. Von daheim weg sollte es auf möglichst flacher Strecke eine Runde mit über 400 km werden, möglichst nahe des inneren Grenzverlaufs von Kärnten. Nachdem wir uns vorab nicht vorstellen konnten, dass wir nach 418km und knapp 4.000 Höhenmetern sehr motiviert sein würden, auch noch die 400 Höhenmeter berghoch zu unserem Haus zu kurbeln, entschieden wir uns das Projekt TDK unten im Drautal zu starten und auch zu beenden.

Also drücken wir an einem der längsten Tage des Jahres (18. Juni) um 1:43 Uhr am Bahnhof in Dellach den Startknopf unserer Garmin-Geräte. Ausgerüstet mit Stirnlampen, Reflektoren, je einer Satteltasche und etwas Proviant (v.a. für die ersten Stunden) geht es für uns zum Aufwärmen über den Gailberg rüber ins Nachbartal. Die ersten gut 50 Kilometer bis Hermagor kennen wir dank zahlreicher Trainingsfahrten in- und auswendig.

Nach etwa 3 Stunden beginnt es zu dämmern und wir sind froh etwas mehr von unserer Umgebung zu sehen als nur leuchtende Tieraugen und reflektierende Schilder und Tafeln. Obwohl es ein heißer Tag werden wird, sind wir nach den ersten Stunden in der dunklen Nacht ein wenig ausgefroren und mehr als dankbar, als wir – früher als erhofft – bereits in Arnoldstein kurz nach 5 Uhr eine geöffnete Bäckerei erspähen. Wir wärmen uns für 20 Minuten im Innenraum und genießen eine köstliche Kaffee- und Kuchenpause.

Auch die nächsten 115 Kilometer bis Lavamünd kennen wir bereits großteils von früheren Rennradtouren und Radreisen. In Ferlach legen wir einen kurzen Supermarktstopp mit Essenspause ein, genauso wie in St. Kanzian am Klopeiner See.

Kurz vor Lavamünd lassen wir uns nördlich von Einersdorf von einer nagelneuen Asphaltstraße verführen, die unser GPS nicht kennt und die auch nur zum Bahnhof führt. So landen wir dann für ein paar hundert Meter auf einer ruppigen Schotterpiste nach Wiederndorf, aber alles halb so wild.

Lavamünd (km 198) ist unser östlicher Wendepunkt. 2015 endete hier unser episches MTB-Projekt „Weststeirischer Jakobsweg“, an das wir immer noch gerne und oft zurück denken. Heute wird es ab hier ca. 30 km nordwärts nach Wolfsberg gehen, bevor wir dann wieder Richtung Heimat drehen werden.

Nachdem wir um 11:00 Uhr in Lavamünd keine Chance auf ein Mittagessen haben, fahren wir noch ein paar Kilometer bis zum Sulzer’s Radltreff am Lavanttal-Radweg. Wir freuen uns über schnell servierte Suppen sowie einen kleinen Hauptgang und können nach einer halben Stunde schon wieder weiterziehen.

Da der Lavanttal-Radweg ab St. Andrä gesperrt ist, nehmen wir einen kleinen Umweg über die Bundesstraße nach Wolfsberg, wo wir vor dem einzig ernsten Anstieg des Tages nochmals kurz rasten. Es warten ca. 1.200 Höhenmeter bis zum Klippitztörl (1.644 m) und mittlerweile ist es auch so richtig heiß. Wir haben uns trotz der saftigen Steil-Rampen für den kürzeren Anstieg über die Weißenbachstraße entschieden und büßen dafür nach 236 km in den Beinen ein paar Mal ordentlich. Aber irgendwann sind wir oben und stärken uns auf der Passhöhe im sehr netten Naturfreundehaus mit köstlichen Suppen, Apfelstrudel und Cola.

Auf der langen Abfahrt kommen die Kräfte zurück, sodass die kurzen Zwischenanstiege nicht besonders weh tun. Die 40 Kilometer von Althofen über St. Veit a.d. Glan bis Feldkirchen sind definitiv kein Highlight, aber sparen uns die deutlich weitere und bergigere Strecke über das Gurktal und Ebene Reichenau.

Entlang des Ossiacher Sees freuen sich unsere Augen wieder über etwas Abwechslung und in Gedanken sind wir ohnehin schon bei unserem nächsten Meilenstein – im Drautal. Davor gibt es noch ein kleines Highlight für uns, da unbekannt und überraschend schön zu fahren: das Krastal von Köttwein nach Puch.

Unmittelbar danach sind wir wieder zurück im Drautal. Mittlerweile haben wir uns auf das nächste „Etappenziel“ Sachsenburg (km 385) dermaßen fokussiert, dass wir unsere Köpfe nahezu darauf programmiert haben es dort bereits „geschafft“ zu haben – denn die letzten 33 km fallen dann wieder in die Kategorie „Hausstrecke“ und führen gleichzeitig absolut verkehrsarm zum finalen Ziel zurück.

Zuvor erreichen wir noch bei tief stehender Abendsonne Spittal an der Drau und kaufen im Spar Express (bis 21 Uhr geöffnet) noch ein letztes Mal eine Kleinigkeit zum Beißen. Als ein laut brummender GTI-Fahrer im Kreisverkehr unseretwegen abbremsen muss, bekommen wir ein sympathisches „Schleichts eich von da Stroßn“ nachgerufen – nicht Geld, sondern Gedankengut signalisiert hier mal wieder die wahre Armut einer Gesellschaft.

In Sachsenburg schließlich feiern wir beim Dorfbrunnen um 21:30 Uhr bereits das Gelingen unseres Projekts, da wir uns sicher sind, dass uns auf den letzten Kilometern nichts mehr aufhalten wird. Wir legen wieder unsere Stirnlampen an und fahren in die Dunkelheit hinein. Nichtsdestotrotz müssen auch 33 km erst gefahren werden … und womit wir nicht gerechnet haben: unsere Körper scheinen in Sachenburg bereits das signalisierte „wir haben es geschafft“ ernst genommen zu haben. Plötzlich reibt es an mehreren Stellen, die Füße schmerzen in den gefühlt immer enger werdenden Radschuhen, es sticht mal da mal dort, jede Pedal-Umdrehung ist einfach nur noch mühsam …

In Steinfeld passieren wir dennoch übers ganze Gesicht grinsend die 400 Kilometer-Marke. Und immerhin klappt es noch gut mit der Konzentration, denn obwohl auch die Akkus unserer Stirnlampen auf einmal immer müder und müder werden und wir auf Grund mangelnder Sicht unser Tempo weiter drosseln müssen, schaffen wir es gut und sicher zurück zu unserem Auto am Bahnhof in Dellach. Glücklich und zufrieden beenden wir um 22:30 Uhr diesen außergewöhnlich langen Radtag – und vor allem dankbar, derartige Projekte realisieren und erleben zu können.

Eckdaten der Tour:

Kilometer lt. Garmin: 418,3
Höhenmeter lt. Garmin: 3.955
Zeit in Bewegung lt. Garmin: 17:05
verstrichene Zeit: 20:54
Schnitt lt. Garmin: 24,5 km/h
https://www.strava.com/activities/733345

Die Tour auf Komoot:
www.komoot.de/tour/990452178