Die erste Nacht im Zelt ist nicht 100% erholsam. Beide sind wir öfters wach und kämpfen mit der richtigen Liege- und Polsterposition. Wie auch die folgenden Zelt-Nächte kommt so ca. um 4 Uhr morgens noch der Faktor Kälte dazu. Bei Hana weniger – sie hat mit ihrem nagelneuen Carinthia Lady Light Down den optimalen Daunenschlafsack gefunden (600g Gesamtgewicht – Comfort: +2°, Comfort Limit: -3,6°, Extreme: -20,3°). Mein gut 10 Jahre alter Carinthia Airpack (650g Gesamtgewicht – Comfort: +5°) ist zwar immer noch für Reisen dieser Art sehr OK, aber bei weitem nicht so ein High-Tech-Wunder wie der Lady Light … oder ich hab ihn einfach die letzten 8 Jahre falsch gelagert 🙂
Gegen 6.30 Uhr weckt uns das Pfeifen der draußen umher hirschenden Jäger mit ihren Hunden.
Die Jagd in Italien ist ein eigenes Kapitel. Man kann sie aufs heftigste kritisieren (wie etwa Gianfranco Bologna, Generalsekretär des WWF Italien im pikanten Artikel „Die Jagd ist Italiens tödlicher Massensport“ – Die Welt) … oder sie als Teil einer langen Tradition und Kultur sehen, die von außen nur schwer nachvollziehbar ist.
Auch wir philosophieren beim Frühstück über Sinn und Sinnlosigkeit dieser Jagdkultur aus unserer Sicht, während wir in der Ferne vereinzelt Männer mit ihren senkrechten Gewehren am Rücken im Stechschritt über die Wiesen ziehen sehen. Nebenbei trocknet unser Zelt in der Sonne und wir starten dann erst um ca. 9.00 Uhr Etappe zwei.
Die ersten Kilometer geht es bergab dieselbe Strecke wie gestern – bis zu der Straße, die links nach Badida Tedalda und rechts in unsere heutige Richtung führt … bergauf zu einer 1.050m hohen Passhöhe, von der eine lange Abfahrt nach Sansepolcro folgt. Immer wieder öffnet sich ein netter Fernblick auf den künstlichen Stausee „di Montedoglio“ und die umliegenden Hügeln.
Der Himmel ist eher bedeckt grau in grau, sodass wir ohne viele Foto-Stopps ins Zentrum von Sansepolcro rollen. Dort kehren wir auf wohltuenden Café und süße Croissants ein und testen anschließend ein Feinkostgeschäft im Zentrum an. In beinahe astreinem Italienisch ordere ich ein Baguette, was mich für den Verkäufer zweifelsohne zu einem Franzosen macht, da er mit mir fortan ausschließlich französisch kommuniziert, während ich beim Italienisch bleibe. Immerhin verstehe ich, dass das Baguette von gestern ist und das Toskanabrot (natürlich salzlos) ganz frisch von heute. Dazu empfiehlt er einen (wie sich später herausstellt) extrem g‘schmackigen Hartkäse in violetter Olivenkruste. Am Ende gibt es noch ein „au revoir“, dann geht es weiter auf einer recht dicht befahrenen Straße nach Südwesten. Erst als die Autobahn (E78) anfängt, sind wir auf der Seitenstraße wieder alleine unterwegs und näheren uns den zwei durchaus saftigen Anstiegen des heutigen Tages.
Bei Palazzo del Pero fahren wir südwärts auf einer völlig abgeschiedenen Bergstraße nach Santa Maria alla Rassinata. Dort hoffen wir ein Ristorante für ein warmes Mittagessen zu finden – vergebens, der kleine Ort wirkt auf uns völlig ausgestorben. Auch nach der anschließenden Abfahrt bietet sich im Tal weit und breit keine Möglichkeit einzukehren. Also packen wir Olivenkäse und Weißbrot aus und machen es uns auf der Straße im Schatten gemütlich.
Nach der Stärkung folgt ein Anstieg mit ca. 500 Höhenmetern, dessen Abschnitt zwischen Poggioni und Portole landschaftlich besonders reizvoll ist. Immer wieder kommen wir an winzigen Dörfern vorbei oder fahren durch dichte Märchenwälder. Irgendwann sehen in der Ferne sogar schon das Ziel unserer Etappe, den Lago di Trasimeno.
In Cortona – einer der ältesten und bedeutendsten Städte der Etrusker, seit 1325 Bischofsitz und heute von Touristen stark frequentiert – finden wir uns dann ganz plötzlich wieder zurück in der Zivilisation. Wir fahren über die ruppigen, gepflasterten und teils extrem steilen Gassen im Zentrum und staunen über die zahlreichen Kuppeln und Kirchtürme, die immer wieder vor uns auftauchen.
Leider sind die letzten Kilometer des Tages genau das Gegenteil des einsamen Abschnitts vor Cortona. Bis Castiglione del Lago fahren wir konzentriert am rechtesten Straßenrand der unebenen und stark frequentierten Straße. Hier passieren wir auch „endlich“ die Grenze der Regionen Toskana und Umbrien.
Beim Campingplatz Listro (Lage sehr ok, der Rest naja …) stellen wir in wenigen Minuten unser Zelt auf, duschen und fahren dann in unserer „Ausgehmontur“ mit den Rädern in den Ort Castiglione hoch, wo wir uns das historische Zentrum ansehen, das abends durchaus einen romantischen Flair versprüht, und anschließend fein essen gehen.