Es ist die wahrscheinlich angenehmste und ruhigste Zeltnacht unserer Reise, da wir ohne einen Wecker zu stellen quasi verschlafen und erst gegen 7.00 Uhr erstaunt auf die Uhr blicken. Bald nach dem Aufstehen beginnt es leicht zu nieseln, was unseren Zeltabbau drastisch beschleunigt. Wir frühstücken daraufhin ohne Eile im Schutz eines überdachten Bungalows ein paar Meter oberhalb unseres Zeltplatzes, bevor wir unsere Räder satteln und die Etappe 5 starten.
Die ersten Kilometer führen uns zurück nach Narni und hinunter ins Tal Richtung Terni. Die nassen Straßen und dunklen Wolken lassen die Gegend trostlos und düster wirken und wir spulen die Kilometer nach Terni eher freud- und emotionslos ab – nur ein Ziel vor Augen: einen wärmenden Café. Diesen nehmen wir in einer Bäckerei in Terni ein, wo wir die Zubereitung unserer Cappuccini aufmerksam beobachten: die gigantische, chromierte Espresso-Maschine hat einen gut 1 Meter langen Hebel, der schräg nach oben ragt und von der Bäckerin etwa 1-2 Minuten langsamst herunter gezogen wird – ein immens dünner, tiefschwarzer Kaffee-Strahl fließt in unsere Tassen, bevor heiße Milch und Milchschaum dazu gegossen werden … das Ergebnis: benissimo 🙂
Nach dieser wohltuenden und stärkenden Pause geht es ohne große Highlights flach im Tal weiter nach Rieti – die letzten Kilometer immerhin über einen nett angelegten Radweg, der uns ohne Verkehr ins Zentrum führt, wo wir bald ein nettes Lokal für unsere Mittagspause finden. Während schmackhafte Fettuccine al Tartufo serviert werden, beginnt es draußen etwas heftiger zu regnen, worauf wir bereits ein frühzeitiges Etappenende überlegen. Irgendwie hält uns aber emotional nichts in Rieti fest, sodass wir die erste Regenpause zur Weiterfahrt nutzen … ca. 100 Meter bis zur nächsten Café-Bäckerei, vor der wir am Gehsteig Platz nehmen und nochmals unseren Entschluss bekräftigen, die Weiterfahrt zum geplanten Etappen-Ziel in Fiamignano oberhalb des Salto-Stausees in den Reatinischen Abruzzen in Angriff zu nehmen.
Nach ein paar Kilometern auf der Haupstraße zweigen wir links steil bergauf ab und fahren von da an zum Glück regenfrei auf einer traumhaft einsamen, kurvenreichen Bergstraße höher und höher … bis wir erste winzig-kompakte, steinerne Bergdörfer erreichen und unsere Blicke immer wieder weit hinunter auf den im Tal ruhenden Lago di Salto richten. Schon etwas müde und matt erreichen wir gegen 17.00 Uhr endlich Fiamignano, wo wir erstmals die Nacht in einem Agriturismo oder Bed & Breakfast planen, da es weit und breit keine offizielle Camping-Möglichkeit gibt und die Wetterprognose eher Regen und Kälte vorhersieht. Etwas ernüchternd ist dann die Auskunft im Dorf-Supermercato, dass es in Fiamignano ganz gewiss keine Unterkunft gibt … erst in Corso, das einige Höhenmeter und Kilometer weiter unten liegt, gibt es das einzige Bed & Breakfast weit und breit, das offen hat. Lang und breit erklärt uns die Verkäuferin in bemüht verständlichen Worten den Weg dorthin – offenbar erfolgreich, da wir ohne Umwege das kleine Corso und das noch kleinere B & B “Noi parliamo con le pietre” finden. Eine auf Anhieb überaus geschäftstüchtig wirkende Donna aus Roma erklärt uns, dass sie gerade noch eines ihrer gesamt 3 Zimmer frei hat (EUR 60,- inkl. Frühstück). Auf unsere Frage nach einem Ristorante kommt ein klares „No!“ gefolgt von dem Angebot, gegen eine kleine Service-Gebühr (EUR 10,-) die Küche ihres Hauses benützen zu dürfen – ein kleiner Supermarkt hat im Dorf noch offen. Wir nehmen dankend an und decken uns mit Obst, Gemüse und Erdäpfeln ein und bereiten kurz darauf mit unseren eigenen Gewürzen eine leckere Curry-Gemüse-Pfanne, die bald im ganzen Haus duftet und die italienischen Arbeiter (die anderen Gäste des Hauses) neugierige Blicke in die Gemeinschaftsküche werfen lassen.
Die Nacht in dem etwas sakral anmutenden Zimmer (Gemach?) haben wir stockdunkel und mucksmäuschenstill in Erinnerung – kurz nach Mitternacht werde ich wach und empfinde nahezu kindliches Unbehagen ob der unheimlichen Finsternis und Stille … denke mir dann aber, dass die kräftig gebauten Arbeiter in den Zimmern unter uns im Notfall bestimmt zur Stelle wären 🙂