Umbrien 09:
Piano Grande – Assisi

Der Tag beginnt genauso wie der gestrige zu Ende gegangen ist: mit phantastischen Lichtstimmungen der (anstelle von unter-) aufgehenden Sonne. Es ist ruhig, sehr ruhig … ordentlich frisch, und wir fotografieren eifrig dieselben Motive wie am Vorabend, um einen direkten Vergleich von Abend- mit Morgenstimmung über dem Piano Grande zu speichern.

Die einzigen Menschen, die bereits unterwegs sind, sind Pilzsucher, die mit ihren großen Körben durch die knöchel- bis knietiefe Graslandschaft wandern – eines unserer absoluten Lieblingsmotive.

Pilzsucher am Piano Grande

Kurz vor 8.00 Uhr rollen wir dann los … heute müssen wir nicht so lange auf Café und Kuchen warten – in Castelluccio hat eine Bar offen, in der wir das mit Abstand teuerste (und kleinste) Frühstück unserer Reise einnehmen – die Kehrseite einer nicht zu Unrecht touristischen Attraktion höchster Kategorie … wir möchten nicht wissen, was sich hier im Hochsommer abspielt, wenn viele Römer in den bergigen Regionen Abkühlung suchen.

2. Frühstück in Castelluccio

Nach Castelluccio geht es ca. 100hm bergab zum Piano Piccolo – einer weiteren Hochebene mit weiten Wiesen und Feldern – und dann nochmals 100hm bergauf zu einem Pass, auf dem wir erstmals merken, dass heute Sonntag ist und Kaiserwetter herrscht. Zahlreiche Autos und Motorräder kommen die Passstraße vom Norden empor und halten auf dem großen Parkplatz neben der Kapelle „Madonna della Icona“ – gewidmet den Hirten von Castelluccio. Auch eine größere Gruppe Mountainbiker hat sich die Passtraße hinauf shutteln lassen und bereitet sich kleidungstechnisch offensichtlich auf den bevorstehenden Downhill vor.

Auch wir verlassen die Höhenlandschaft und genießen eine flotte Abfahrt durch das kalte Neratal hinunter nach Visso (ca. 600m). Dort ist Markttag und wir drehen eine Runde im Zentrum, erfreuen uns an den historischen Türmen und Mauern, beobachten das bunte Treiben, kaufen Proviant und stärken uns in einer Pasticceria mit herrlichen süßen Ricotta-Nuss-Blätterteig-Taschen (die wahrscheinlich beste, wenn auch sicher fetteste Mehlspeise unserer Rundfahrt) – nach dem Zwergenfrühstück in Castelluccio quasi ein „Must-have“ 🙂

Kirche in Visso

Als wir nach Visso die Hauptstraße verlassen, beginnt bald eine extrem schweißtreibende Steigung nach Fematre. Wieder einmal befinden wir uns auf einer absolut einsamen Seitenstraße – diesmal durch die nördlichen Ausläufer der sibillinschen Berge. Die einzige motorisierte Begegnung für eine gute Stunde ist ein Traktor, der gerade vom Feld kommt. Ebenso ausgestorben die kleinen Dörfer, die wir passieren – keine Einkehrmöglichkeit weit und breit – also rasten wir auf einer Wiese neben einem Friedhof und essen Brot, Käse, Joghurt und Obst. Außerdem studieren wir die Karte und planen unsere weitere Etappe nach Assisi etwas um. Wir haben irgendwie keine Lust oder Energie mehr für die unzähligen Steilrampen der schmalen Seitenstraßen im hügeligen Grenzland wischen Umbrien und den Marken.

Also nehmen wir ab Colfiorito, wo wir uns nach einem etwas mühsamen Kampf gegen den Wind nochmals einen feinen Café gönnen, die Hauptstraße Richtung Foligno … vom Verkehr her sehr ok, feiner Asphalt und etwas Rückenwind. Irgendwann zweigen wir nach Belfiore und Scanzano ab, um Foligno nördlich zu umfahren und gelangen auf einer verkehrsarmen Seitenstraße nach Spello – einer auf den ersten Anblick extrem geschichtsträchtigen und bestimmt faszinierenden Stadt. Unsere Müdigkeit und mittlerweile bereits leise einsetzende Übersättigung an mittelalterlichen Kostbarkeiten lässt uns ohne Zwischenstopp weiter nach Assisi strampeln.

Gut 300 Höhenmeter geht es dann nochmals bergauf, vorbei an üppigen Wein- und Olivenhainen und mit prachtvollen Ausblicken auf die Basilika Santa Maria degli Angeli, die Burg Rocca Maggiore und die Tiefebene des Valle Umbra östlich von Perugia. Nach 112 Kilometern erreichen wir den Campingplatz Fontemaggio, wo wir zwischen Pilgerzelten unsere Heringe in den steinharten Boden pressen und uns anschließend wieder einmal über eine ordentliche, heiße Dusche freuen.

Assisi

Absolutes Highlight des Abends ist dann allerdings das unerwartet sensationelle Ristorante “La Stalla” direkt am Campingplatz … wir sind um 19.28 Uhr (Öffnungszeit 19.30 Uhr) beim Eingang und sehen bereits Menschen aus allen Richtungen herbei strömen. Uns werden zwei Plätze an einer langen Tafel zugewiesen und die Speisekarten überreicht, auf der wir am liebsten alles einmal rauf und runter bestellt hätten (auch preislich sehr OK). Schließlich entscheiden wir uns für Pasta und Gnocchi als ersten und Polenta mit Pilzen als zweiten Gang, trinken wunderbaren Vino Rosso, beobachten wie die geschickte Dame an der riesigen Feuerstelle der Reihe nach Köstlichkeiten auf den Grill platziert und wie die flinken und extrem freundlichen Kellnerinnen eine Delikatesse nach der anderen auf den Tischen servieren. Das Lokal hat sich binnen weniger Minuten bis auf den letzten Platz gefüllt – draußen steht bereits eine Schlange wartender Gäste, teilweise schon mit der Speisekarte in der Hand, um nach Zuweisung eines Platzes direkt bestellen zu können. Wir sind überglücklich ohne warten zu müssen einen Platz und sehr bald eine warme Mahlzeit bekommen zu haben und genießen die leckeren Speisen bis zum letzten Bissen, während wir die wunderbaren Bilder und Momente des heutigen Tages nochmals revue passieren lassen.

Etappendaten: 112km – 1.500hm

GPS-Track zur gesamten Tour

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