Aragonien und Kastilien La Mancha:
Naturpark Alto Tajo und Serranía de Cuenca

Aragonien und Kastilien La Mancha:<br>Naturpark Alto Tajo und Serranía de Cuenca

Wohlwissen, dass die kommenden 4 Etappen nicht mit derart atemberaubenden Highlights aufwarten werden, wie die 4 Etappen davor, starten wir dennoch zeitig in der Früh höchst motiviert und froh, dass es endlich wieder weiter geht. Eine gute halbe Stunde fahren wir mit unseren Stirnlampen – Sonnenaufgang ist hier ca. 1 Stunde später als daheim, dafür hat man abends 1 Stunde länger Tageslicht.

7. Etappe – Ermita de San Juan

Heute wird es ca. 90 km stetig bergauf gehen. Entlang des Rio Mesa durchfahren wir raue Schluchten und sichten erstmals Scharen von Geiern, die über uns majestätisch kreisen. Highlights sind heute jedoch die vielen wilden Feigenbäume, die direkt neben der Straße wachsen und ihre reifen Früchte abwerfen, wodurch ein unglaublich verführerischer Duft beim Vorbeifahren in unsere Nasen steigt. Oft bleiben wir stehen und pflücken ein paar reife, herrlich süß und aromatisch nach Vanille oder Madel schmeckende Götterfrüchte. Am besten munden die butterweichen, gelb-grünlichen Sorten, die es in die heimischen Supermärkte gar nicht schaffen. Was bei uns zu Hause an „frischen“ Feigen angeboten wird, verdient es gar nicht, in der selben Kategorie genannt zu werden.

Etwa nach 50 Kilometern passieren wir die Grenze zur autonomen Gemeinschaft Kastillien La-Mancha. Die Gegend wird immer menschenleerer, die Dörfer werden immer kleiner, die Straßen immer schmäler. Irgendwann landen wir auf Schotter, anfangs noch gut fahrbar, später mit groben Steinen gespickt und mit einigen zähen Anstiegen. Die letzten Kilometer durch ein weitläufiges Waldgebiet ziehen sich extrem – wir sind sehr dankbar, als wir endlich den anvisierten Nachtplatz bei der Ermita de San Juan erreichen – mitten im Nirgendwo steht hier auf einer Waldlichtung eine kleine steinerne Kapelle mit zwei Tischbänken davor – ein optimaler Platz für uns und unser Zelt. Augenkontakt haben wir heute Abend nur noch mit einem Wildschwein – es dürfte so wie wir höchst überrascht ob des ungewohnten Anblicks sein und verschwindet kurz darauf wieder im Dickicht, aus dem es gekommen war.

8. Etappe – Naturpark Alto Tajo

Der nächste Morgen ist nach der sternenklaren Nacht eisigkalt. Wir frühstücken in der Dunkelheit mit Stirnlampen und Daunenjacken. Beim Zusammenpacken hören und sehen (Scheinwerfer) wir einen sich nähernden Jeep. Es steigen 2 Männer in Militärgewand aus, fragen, ob wir Spanisch verstehen – „solo un poco“ … „Italiano“?  … „Si, meglio“. Wir erfahren, dass heute Jagd ist und dass es in einer Stunde hier ziemlich gefährlich werden kann. Wir versichern, dass wir quasi am Aufbrechen sind, deuten, dass wir nach Molina di Aragon fahren und in einer Stunde aus dem Gebiet bestimmt draußen sein werden. Damit ist alles gut und wir starten kurz darauf Richtung Zivilisation, also Straße.

Nach einem prächtigen Sonnenaufgang rollen wir auf der Hauptstraße nach Molina de Aragón, kaufen ein und fotografieren von einem schönen Aussichtspunkt aus das eindrucksvolle Castillo, welches lange zwischen den Königreichen Kastilien und Aragón umstritten war und – dem Namen zum Trotz – heute in der autonomen Region Kastilien-La Mancha liegt.

Am „Camino del Cid“ (1.350 km lange Wander-/Radroute) geht es auf einer herrlichen Straße immer leicht bergab entlang des Rio Gallo in eine wunderschöne, felsige Schlucht. Wieder sehen wir über unseren Köpfen unzählige Geier kreisen, die in den hohen, roten Felswänden nisten.

Wir passieren die sehenswerte, in den Fels gebaute „Ermita de la Virgen de la Hoz“, fahren ein paar Kilometer auf gutem Schotter und erreichen irgendwann die „Puente de San Pedro“, bei der sich Rio Gallo und Tajo – der längste Fluss der Iberischen Halbinsel – treffen und wo es endlich eine lang ersehnte Sitzgelegenheit für uns gibt. Wir rasten, essen hungrig zu Mittag und nutzen die Gelegenheit unser Zelt zu trocknen.

Die nächsten 30 Kilometer geht es für uns im Naturpark Alto Tajo auf einer großteils gut fahrbaren Schotterpiste flussaufwärts – immer wieder etwas länger bergauf & bergab, vorbei an einigen Refugios und Pick-Nick-Plätzen, oft mit traumhaftem Blick auf den grün schimmernden Tajo, mal direkt vom Ufer aus, mal von oben herab zwischen imposanten Felsen in einer Schlucht.

Beim „Campamento Fuente El Berro“ bleiben wir, waschen uns im kühlen Wasser des Tajo, kochen am Ufer leckeres Abendessen und bauen dann in der Dämmerung unser Zelt am menschenleeren „Camping-Areal“ (verlassen/geschlossen?) auf.

9. Etappe – Serranía de Cuenca

Etappe 9 starten wir wieder sehr zeitig mit Stirnlampe, da ab Nachmittag Regen prognostiziert ist und wir unbedingt zum vorab recherchierten Refugio La Alconera im Naturpark Serranía de Cuenca möchten, welches gut 60 km und 1.300 Höhenmeter entfernt liegt. Also fahren wir zügig, ohne viele Pausen oder Fotostopps – erstens ist es ohnehin bewölkt und zweitens hat unsere gute alte (7 Radreise-Jahre) Olympus OM-D E-M1 am gestrigen Tag entlang des Rio Tajo plötzlich ihren Geist aufgegeben, sodass wir nur ein paar dokumentarische Bilder mit dem Handy knipsen können.

Bei einem Brunnen entlang der Straße füllen wir unsere Flaschen – zur Sicherheit gefiltert, was uns für 6 Liter keine 10 Minuten Zeit kostet. Eine Ortschaft mit Einkaufoption passieren wir heute nicht. Die Strecke führt asphaltiert durch einsame Wald- und Weidegebiete, meistens bergauf – nur die letzten 13 Kilometer geht es geschottert tief in den waldigen Naturpark hinein. Als wir etwa eine Seehöhe von 1.650 m erreichen, ist der lange Anstieg geschafft und wir rollen die letzten 7 km großteils bergab.

Mittlerweile hat es schon zum Regnen begonnen und es ist durchaus frisch in der Höhe. Wir hoffen stark, dass unser Refugio offen und nicht bereits von anderen Reisenden besetzt ist. Als wir nach einer Kurve freie Sicht auf das Refugio haben sehen wir zu unserer Enttäuschung weißen Rauch aus dem Schornstein dampfen – offenbar sind wir nicht die Ersten. In der Ferne sehen wir auch 2 Jeeps, die in die andere Richtung weiterfahren. Wir überlegen kurz, wo wir uns am besten positionieren, wenn der Innenraum des Refugios belegt ist, und stellen unsere Räder einmal im Trockenen unter. Dann öffnen wir die Tür und sehen zu unserer großen Freude, dass doch niemand da ist und das Feuer im offenen Kamin offenbar von der zuvor gesichteten Jeep-Besatzung stammt. Ein richtig dickes Stück Holz glüht noch in der Feuerstelle und wird uns die nächsten Stunden ordentlich wärmen. Wir brauchen nur ein paar kleinere Stücke unter- und nachlegen und genießen die absolut heimelige Atmosphäre im geschützten Innenraum.

Draußen regnet es so richtig und im Zelt wäre es heute bestimmt ordentlich frisch. Auch all unsere Sachen trocknen hervorragend rund um das Feuer – wir schätzen uns wieder einmal sehr glücklich, den perfekten Platz für die Nacht gefunden zu haben.

10. Etappe – Cuenca

Auf Grund des nächtlichen Regens, der die geplanten Offroad-Pisten nach Cuenca möglicherweise zu einer schlammig-rutschigen Partie machen würde, entscheiden wir am nächsten Morgen, auf asphaltierten Straßen bis nach Cuenca zu radeln, sobald wir aus dem Naturpark draußen sind. Zuvor heißt es aber nach dem Verlassen des Refugios, das uns eine trockene und warme Nacht geschenkt hat, in der frostigen Finsternis Meter zu machen. Der Raureif auf den Wiesen verrät uns Temperaturen unter Null Grad – dank unserer Daunenjacken kein Problem.

Die Schotterpiste Richtung Park-Ausgang ist zum Glück gut fahrbar und auch nicht mit Pfützen übersät, aber zahlreiche Abzweiger auf erdigere Pisten zeigen uns, wie grauslich es heute sein könnte, wenn der Untergrund es nicht gut mit einem meint.

Vorbei am „Embalse (Stausee) de La Toba“ geht es nach Uña, bekannt für seinen „Camino de la Raya“ entlang der imposanten Felswand oberhalb der Ortschaft.   

Ein weiterer spektakulärer Aussichtpunkt erwartet uns beim „Ventano del Diablo“ (Fenster des Teufels) oberhalb des Rio Júcar, der sich hier durch eine zerklüftete Felsschlucht schlängelt.

In Villalba de la Sierra scheint endlich wieder die Sonne und wir rollen genüsslich am Júcar entlang bis nach Cuenca, das wir um 13 Uhr noch gut vor der Siesta erreichen, um gleich ein Foto-Geschäft aufzusuchen – in der Hoffnung auf Hilfe für unser Kameraproblem. Nach einer Absage landen wir beim 2. Anlauf im Centro Digital de Imagen bei José … und wir hätten es nicht besser treffen können. José fotografiert selbst mit Olympus OM-D-Kameras. Gut 1 Stunde sucht er mit uns nach einer Lösung für unser Problem. Eine Reparatur kann er nicht anbieten, die Kamera einschicken und wieder retour bekommen würde sich bis Freitag bestimmt nicht ausgehen, eine für uns in Frage kommende neue Kamera (auf die unsere Objektive passen) hat er nicht lagernd. Aber er hat zum Glück einen Bekannten, der seine gebrauchte OM-D E-M1 (also exakt unser Modell) verkaufen möchte und für dessen Seriosität er seine Hand ins Feuer legt. José telefoniert, wir vereinbaren mit dem Verkäufer einen Preis und verabreden uns für morgen zwecks Übergabe. Überglücklich bedanken wir uns bei José vielmals und beziehen unser Apartment, in dem wir die nächsten 4 Nächte verbringen, um zu arbeiten und morgens wie abends ein wenig von der entzückenden Universitätsstadt zu besichtigen, dessen Innenstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Besonders sehenswert: die gotische Kathedrale sowie die „hängenden Häuser“ (las casas colgadas), welche auf dem gigantischen Felsplateau zwischen den zwei Schluchten (Rio Júcar und Huécar) thronen.

Die einzelnen Etappen auf Strava:

TdE 07 – Ermita de San Juan 6:50:37 93,38 km 1.326 m
TdE 08 – Naturpark Alto Tajo 6:03:12 86,57 km 827 m
TdE 09 – Serranía de Cuenca: 4:49:36 60,31 km 1.310 m
TdE 10 – Cuenca 3:42:56 61,90 km 436 m

Fahrzeit, Kilometer und Höhenmeter sind nicht 100% exakt … wenn z.B. vergessen wurde, die Uhr nach einer Pause wieder zu starten 🙂

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Unsere Travesía de España im Detail: