Fr. 06.03.2015
In der Früh dürfen wir im Restaurant den Wasserkocher nutzen und uns Tee und Café (Nescafé Sticks) nehmen. Frühstück gibt es um 7.00 Uhr keines. Aber bei der Abfahrt um 8.00 Uhr bekommen wir zwei Boxen mit Dal und ein paar Fladen Chapati-Brot überreicht, nachdem wir am Vorabend um „Lunch-Pakete“ angefragt hatten. Danach treten wir schon sehr gespannt die letzten paar Höhenmeter zum Pass hinauf – vor uns der freie Blick zum 3.000m hohen Jabal Shams, links unter uns die Stadt Al Hamra mit den markanten Felsformationen, hinter denen wir am Vortag noch unser Zelt abgebaut hatten.
Auf 2.000m werden wir dann mit einem sensationellen Panoramablick belohnt – vor uns Berge unterschiedlichster Farben und Formationen; weit unter uns die kleine Berg-Oase Al Hajir, in der Ferne immer wieder Passagen einer dünnen Schotterpiste – unserer Route …
Wir genießen eine Weile den Fernblick, fotografieren und starten um 8.30 Uhr unsere Fahrt Richtung Wadi A’Sahtan. Die ersten Meter der Schotterstraße sind überraschend gut – wir hatten nach den Warnungen vom Vortag wesentlich Schlimmeres erwartet. Um so fröhlicher brausen wir die ersten paar hundert Höhenmeter bergab, in denen wir immer wieder kurze Pausen zum Fotografieren und Ausblick genießen einlegen. Zwischendurch sind einige Passagen etwas ruppiger, steiler und teilweise recht sandig-tief – das Schild „ENGAGE 4 WD“ hat also durchaus seine Berechtigung.
Neben uns schlängeln sich immer wieder tiefe Schluchten im wilden Zick-Zack – eine mit dem bezeichnenden Namen „Snake Canyon“ auf unserer Oman GPS-Karte. Nach ein paar kurzen Steilrampen aufwärts-abwärts sind wir im „Wadi Bani Awf“ am für uns tiefsten Punkt. Danach geht es bergauf zu einer Abzweigung, die wir links Richtung Wadi A’Sahtan nehmen. Rechts ginge es weiter durch das „Wadi Bani Awf“, das offenbar ein beliebtes Touristen-Safari Gebiet ist. Zumindest haben wir hier die einzigen touristischen Begegnungen unserer Reise, plauschen sogar kurz mit einer netten Partie Deutscher Senioren, und beobachten, wie ein paar Jeep-Konvois die steile Strecke hinauf zum Pass kriechen, von dem wir heute morgen herunter gekommen sind.
Nach der Abzweigung fahren bzw. schieben wir wieder völlig einsam auf einer enorm steilen, sandigen Piste gute 300 Höhenmeter hinauf Richtung Wadi A’Sahtan. Viel steiler dürfte der Weg nicht sein, sonst müssten wir die Taschen und Räder einzeln hinaufbringen. So stemmen wir uns mit aller Kraft gegen den Lenker und rammen unsere Zehenspitzen in den sandig-rutschigen Boden. Alle paar Meter bleiben wir kurz stehen, um zu verschnaufen.
Entschädigt werden wir mit einer tollen Aussicht auf die Strecke, die bereits hinter uns liegt und auf die buntesten und wildesten geologischen Formationen, die wir je gesehen haben: rings um uns sehen wir überall einen wilden Mix aus rosa,- lila-, violett-, rötlich-, orange-, gelb- oder grün-färbigem Gestein – oft schieferähnlich geschichtet im Fels, oft wie messerscharfe Speerspitzen und Keile in riesigen Geröllhaufen, oft sind ganze Hänge übersäht mit dünnen, feinen, wie Holzspäne aussehenden Felsnadeln.
Der Himmel ist mittlerweile recht bewölkt und wir denken erstmals wieder an die besorgten Worte unserer Quartiergeber vom Al Hoota Guesthouse – ganz unrecht hatten sie nicht; die Strecke ist alles andere als ein Kinderspiel, dafür aber um so faszinierender.
Als wir die lange Steigung geschafft haben, rasten wir am Straßenrand und öffnen unsere Lunch-Pakete. Das Dal-Gericht ist sogar noch lauwarm und schmeckt nochmals doppelt so gut wie gestern abend.
Dann geht es wieder länger bergab, bis wir erneut in ein Flussbett kommen, dem wir ein paar Kilometer folgen – immer wieder leicht auf- und abwärts, oft eingebettet zwischen wilden Felswänden, in denen wir bei näherer Betrachtung gespenstische Gesichter und Fratzen entdecken.
Nach einer Steigung ist es dann endlich soweit – in der Ferne sehen wir ein Auto auf einer offenbar asphaltierten Straße … wir jubeln und freuen uns, dass wieder ein paar flottere Kilometer vor uns liegen. Immerhin brauchten wir für die letzten 28km ca. 4h45min – klar hatten wir auch viele Foto-Pausen dabei; aber die knappen 6 km/h Schnitt werden in jedem Fall zu unserem unangefochtenen Negativrekord.
Als wir dann im Wadi A’Sahtan überraschend auf einer Asphaltstraße landen, weht uns ein heftiger Wind entgegen. Leider tauchen auch bald die ersten Baustellen-Schilder auf und so fahren wir dann erneut auf einer ruppigen, staubigen Schotterstraße, die noch dazu von Baustellen-LKWs stark frequentiert wird … der kräftige Gegenwind weht uns den Staub unangenehm ins Gesicht. Wir sehen zu, dass wir Meter machen und legen keine weiteren Foto-Stopps ein, auch wenn die Felswände links und rechts von uns, die 1.000m in die Höhe ragen, einen ungemein imposanten Eindruck hinterlassen.
Mittlerweile ist auch unsere Vorfreude auf einen warmen Chai riesengroß und ein leises Hungergefühl macht sich auch schon wieder bemerkbar. Nach 6h Fahrzeit landen wir auf der Rustaq-Miskin Road (Nr. 10) im Wadi Bani Ghafir. Bald darauf erspähen wir in Khafdi ein kleines Restaurant am Straßenrand – wir jubeln und sitzen bald vor einem riesen Teller Reis mit Gemüse, kühlen Limos und quasi als Nachtisch einem Becher Chai.
Als wir danach wieder auf unsere Räder steigen, sind nicht nur wir wie ausgewechselt. Auch der kräftige Wind hat sich gelegt, die Wolken sind weiter gezogen und die frühabendliche Sonne verwandelt die zuvor noch so trostlos wirkende Gegend in eine prächtige Landschaft. Nach etwa 20min zweigen wir rechts in eine Schotterpiste Richtung Samya und fahren wenig später auf dem festen, steinigen Gelände querfeldein an den Rand einer großen Ebene zu einem alleinstehenden, kleinen Baum, den wir aus der Ferne erspäht hatten.
Noch vor der allabendlichen Körper-Waschung, die wir nach Einbruch der Dunkelheit mit etwa 0,5-0,75 Liter Wasser aus einer Trinkflasche, Waschlappen und etwas „Care Plus Clean – Bio Soap“ vornehmen, reinigen wir zumindest unsere vollkommen angestaubten Beine – die heutige Strecke hat zusammen mit dem starken Wind durchaus ihre Spuren hinterlassen. Auch die Taschen putzen wir mit etwas Wasser und einem Tuch, um das Innere vom Zelt halbwegs sauber zu halten.
Beim Blick auf unsere Karten bzw. unser Roadbook sind wir nicht ganz unfroh, dass für die nächsten knapp 250km Asphalt am Plan steht. Und schön langsam steigt auch schon die Vorfreude auf das Meer bzw. die Küste am Golf von Oman, die wir übermorgen erreichen möchten.